3 minute read

Die Musiker und ihre Instrumente

«BLOSS NICHT EINSCHÜCHTERN LASSEN»

In der Interview-Serie «Die Musiker und ihre Instrumente» macht Willi Zimmermann den Anfang und stellt die legendäre Stradivari vor.

INTERVIEW SIMONE PFLÜGER

01

02

Die Stradivari gilt als der Rolls Royce unter den Geigen – ihr Klang ist legendär und die heute noch vorhandenen Instrumente des Geigenbauers aus Cremona werden zu hohen Summen gehandelt. Wie fühlt es sich an, auf einem solchen Instrument zu spielen? Für einen Musiker ist es immer ein Privileg, ein hervorragendes Instrument zu spielen – und die Stradivari «Gerhart Hauptmann» fällt definitiv in diese Kategorie. Sie wurde 1714 gebaut – in der sogenannten goldenen Phase des Geigenbauers aus Cremona. Zwischen 1700 und 1720 schuf dieser seine besten Instrumente. Ich betrachte meine Stradivari dennoch nicht nur als wertvollen Kunstgegenstand, sondern auch als Werkzeug, mit dem ich Musik machen kann. In dieser Dualität liegt dann auch die Antwort auf die Frage, wie man mit einer Stradivari umgehen soll.

Kannst du das konkretisieren? Ich versuche, das Instrument stets mit Vorsicht zu behandeln, aber gleichzeitig muss ich auch ein natürliches Verhältnis zu ihm pflegen. Wenn man sich jeden Tag Sorgen macht, was alles passieren könnte, dann ist die Wahrscheinlichkeit viel höher, dass sich tatsächlich mal ein Unfall ereignet. Das ist wie mit dem Brotmesser: Hat man Angst davor, schneidet man sich viel eher in den Finger. Ich finde also, man sollte sich auch vom legendären Ruf einer Stradivari nicht einschüchtern lassen.

Ist dieser Ruf denn tatsächlich berechtigt – klingt die Stradivari wirklich besser als alle anderen Geigen? «Besser» würde ich nicht unbedingt sagen. Ich würde es eher damit vergleichen, dass jedes Instrument eine Persönlichkeit hat und es gibt einfach Persönlichkeiten, die stärker und beeindruckender sind als andere.

Wie würdest du die Persönlichkeit deiner Stradivari beschreiben? Sie ist strahlend, edel und stolz. Sie kann auch aggressiv werden – je nachdem, wie man gerade darauf spielt. Das Instrument bietet eine riesige Palette an Klangmöglichkeiten, was ein Zeichen seiner Qualität ist. Ganz anders als bei einer schlechten Musikanlage, die nur noch scheppert, wenn man sie auf laut stellt, bricht die Stradivari nicht ein, wenn man sie forciert: Sie wird einfach lauter und gewinnt an Kraft. Ausserdem trägt sie selbst leise Töne unglaublich weit – bis zum Zuhörer in der hintersten Reihe. Antonio Stradivari fand da eine besondere Fokussierung des Klangs. Ich glaube, das gehört zu seinen Geheimnissen. Wird man mit einem solch herausragenden Instrument in der Hand eigentlich automatisch zum Profigeiger? Nein, im Gegenteil – meine Geige ist ziemlich schwer zu spielen. Ich gab sie bereits einigen Musikern zum Ausprobieren und diese Kollegen waren total irritiert, weil sie fanden, sie klinge fast wie eine Schülergeige. Das liegt eben an der besonderen Persönlichkeit, auf die man sich erst einmal einstellen muss. Ich habe dies von vielen Solisten gehört, die zwei oder drei Instrumente spielen. Sie sagen dann immer: Wenn ich die Stradivari hervornehme, brauche ich mindestens ein bis zwei Wochen, um darauf mein gewohntes musikalisches Niveau zu erreichen.

Nun hat deine Stradivari nicht nur eine besondere Persönlichkeit, sondern auch einen besonderen Namen. In welcher Verbindung steht sie zum deutschen Schriftsteller Gerhart Hauptmann? Der früheste Name, den wir im Zusammenhang mit der Geige kennen, ist eigentlich nicht Gerhart Hauptmann, sondern Otto Hohlfeld. Hohlfeld wirkte im 19. Jahrhundert als Geiger, Komponist und Konzertmeister in Darmstadt und spielte dabei auf der Stradivari. Er nahm Unterricht beim berühmten Geiger Joseph Joachim – genau wie Margarete, die zweite Ehefrau von Gerhart Hauptmann. Vermutlich gelangte die Geige also dank der gemeinsamen Bekanntschaft mit Joseph Joachim vom Hause Hohlfeld ins Hause Hauptmann. 1957 starb Margarete Hauptmann und eine Schwiegertochter Gerhart Hauptmanns verkaufte das Instrument in den 60er-Jahren den Freunden des Zürcher Kammerorchesters. Nach einer bedrohlich defizitären Jahresrechnung im Jahr 2007/2008 wäre das Instrument fast wieder weiterverkauft worden. Doch, wie im Buch «Mit Musik stromaufwärts» zu lesen, gelang es den ZKO Freunden damals, dieses Szenario abzuwenden. So kommt die Geige auch heute noch dem jeweiligen Konzertmeister des ZKO und damit auch dem Publikum zugute.

01

02

Willi Zimmermann trat 2008 als Konzertmeister ins ZKO ein und erhielt die Stradivari «Gerhart Hauptmann» als Leihgabe. Solange Willi Zimmermann am ersten Pult sitzt, darf er das Meisterinstrument – ein Eigentum der ZKO Freunde – spielen. An den ZKO-Konzerten tritt Willi Zimmermann ab und zu auch mit seinem eigenen Instrument, einer Guadagnini, in Erscheinung.

Das lebensgrosse Gemälde «Die Geigenspielerin» (1900) des deutschen Malers Lovis Corinth zeigt Margarete Matschalk, die spätere Ehefrau Gerhart Hauptmanns, mit der Stradivari.