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ORCHESTER IM WANDEL

Digitaler Wandel im ZKO: Künftig werden die Musikerinnen und Musiker nicht mehr seitenweise mit Partituren und Stimmen hantieren, sondern in einer digitalen Bibliothek per Knopfdruck auf die gewünschte Partitur zurückgreifen können. Auch das Rascheln des Notenpapiers beim Blättern wird der Vergangenheit angehören. Ein kleines Fusspedal übernimmt diese Aufgabe – unkompliziert, schnell und lautlos.

INTERVIEW PETRA MEYER Von links: Alexander Ponet, Daniel Hope und Ivo Schmid

Music Director Daniel Hope hat die technischen Möglichkeiten bereits vor Jahren für sich entdeckt. Auf die Frage, was die Umstellung für das gesamte Orchester bedeutet und welche Erfahrungen er persönlich mit dem neuen System gemacht hat, antwortet er: Diese Umstellung wird unser Leben sehr erleichtern und das wird eine Wirkung auf unser Spiel haben. Ich war einer der ersten Musiker, die im Konzert vom Tablet gespielt haben. Das ist etwa zehn Jahre her und es war eine der besten Entscheidungen, die ich je getroffen habe. Man ist von so vielen Sachen befreit. Ich kann jede Stelle in der Partitur grösser ziehen. Damit komme ich allein technisch tiefer an das Konstrukt des Stückes. Dazu kommt, dass beliebig viele Notizen und Bezeichnungen in die Partitur eingefügt werden können, wie z.B. Bogenstriche oder gewisse Indikationen. Wir spielen oft die gleichen Stücke mit verschiedenen Künstlern, Dirigenten, Partnern. Mit der neuen Technik kann ich jede Konstellation andersfarbig kennzeichnen und später die gewünschte Fassung aus der digitalen Bibliothek wieder abrufen. Änderungen stehen unmittelbar allen zur Verfügung. Das spart enorm viel Zeit und erleichtert die Kommunikation. Falls Zugaben erwünscht sind, können wir auf das gesamte Repertoire für alle Stimmen zugreifen. Wir spielen als Orchester oft draussen. Niemand wird künftig noch Wäscheklammern verwenden müssen, damit die Seiten nicht wegwehen. Aber am schönsten und wichtigsten ist es, auf der Bühne zu stehen und sich vollkommen frei der Musik widmen zu können – ohne sich Gedanken darüber zu machen, dass man ganz schnell umblättern muss. Ich bin sehr glücklich und dankbar, dass wir nun diese Möglichkeit haben.

Klassische Orchester gelten gerade wegen ihrer Funktion als Bewahrer eines historischen Abschnitts der Musikgeschichte als konservativ. Dennoch waren alle Musikerinnen und Musiker dazu bereit, diesen neuen Weg gemeinsam zu beschreiten. Daniel, was sagt das über die spezielle DNA des Zürcher Kammerorchesters aus? Wir sind alles andere als konservativ. Das ist mit ein Grund, warum ich dieses Orchester liebe. Wir sind

offen für Neuerungen, für Veränderungen, für Metamorphosen. Das ZKO ist mit Sicherheit eines der wenigen Kammerorchester weltweit, die diesen Weg einschlagen. Mit der Umstellung werden wir ein Zeichen setzen. Es zeigt, dass wir flexibel sind, dass wir bereit sind, uns zu verändern und uns anzupassen an die Zeit. Dass sich unser Bibliothekar Ivo Schmid so engagiert eingesetzt hat, finde ich grossartig. Eine Umstellung wie diese lässt sich nur realisieren, wenn wirklich alle mitmachen.

Eine Umstellung von analog auf digital erfolgt nicht von heute auf morgen. Vorbereitend wurde das gesamte Notenarchiv im ZKO in den vergangenen Jahren digital erfasst. Verantwortlich hierfür zeichnet Bibliothekar Ivo Schmid, der im Orchester am Kontrabass zu hören ist. Ivo, seit wann hast du persönlich deine Noten von analog auf digital umgestellt? Vor drei Jahren habe ich angefangen, jedes Konzert mit dem ZKO vom Tablet zu spielen. Am Anfang war ich etwas nervös. Es war ungewohnt und das Vertrauen in die Technik war noch nicht vorhanden. Aber ich habe in kürzester Zeit gemerkt, dass es nur Vorteile hat. Voraussetzung ist natürlich, dass alle Noten digital zur Verfügung stehen. Als ich vor vier Jahren die Bibliothek des ZKO übernommen habe, war die Digitalisierung der Notenbibliothek bereits angedacht. Damals lagen uns nur wenige Partituren und Einzelstimmen digital vor. Das ist heute anders!

Worin liegen künftig die Veränderungen gerade im Bereich Bibliothek? Wird es ein komplett neues Arbeiten sein, Ivo? In der kommenden Saison werde ich unsere Noten nach Möglichkeit nur noch digital einkaufen. Bis jetzt war die Papierbibliothek die Grundlage des Archivs. Ein Notenscan diente lediglich als Backup. Das wird sich komplett umdrehen. Das digitale Notenarchiv wird zur Referenz und das Papier zum Backup. Wir müssen keine Notenmappen mehr bewegen und können die Werke, die z.B. mit verschiedenen Dirigenten gespielt werden, in ihrer jeweiligen Form konservieren. Eine Herausforderung an die Bibliothek wird sein, diese digitalen Bezeichnungen korrekt zu archivieren.