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Amerika

Daniel Hope nimmt uns mit in die Vereinigten Staaten der 1930er-, 1940er- und 1950er-Jahre, indem er Musik aus jener bewegten Zeit in neuen Bearbeitungen zum Strahlen bringt. Die Arrangements selbst stammen vom renommierten Dirigenten und Komponisten Paul Bateman, der uns Einblicke in deren Entstehung gibt.

TEXT LION GALLUSSER

«Gebt mir Eure Müden, Eure Armen, Eure zusammengekauerten Massen, die sich danach sehnen, frei zu atmen. […] Schickt die Heimatlosen, die Schickalsgebeutelten zu mir: Ich erhebe mein Licht am goldenen Tor.»

Mit diesen Zeilen empfängt die 1886 eingeweihte Freiheitsstatue vor New York die einlaufenden Schiffe, die alle an ihr passieren müssen, um in den Hafen der «Neuen Welt» zu gelangen. Für die zahlreichen Menschen, die ihre alte Heimat aus verschiedensten, teils lebensbedrohlichen Motiven verliessen, waren die Worte mehr als nur Verheissung: Im «land of the free» suchten sie Schutz, Perspektiven und Geborgenheit. Mit ihren spezifischen sozialen und kulturellen Hintergründen bereicherten die Einwanderer jenen «melting pot», jenen «Schmelztiegel», als der die vielfältige amerikanische Kultur gerne aufgefasst wird. Die dabei entstandene musikalische Blüte illustriert Daniel Hope nun im Projekt Amerika, das er mit dem ZKO auf einer Europa-Tournee vorstellt und aus dem eine neue CD hervorgeht.

«VIELE NEUE GEDANKEN UND MÖGLICHKEITEN FÜR DIE MUSIK»

Im Programm treffen vier Komponisten aufeinander, die allesamt selbst in die USA kamen oder in immigrierte Familien hineingeboren wurden. Kurt Weill, der noch 1928 zusammen mit Bertold Brecht die Dreigroschenoper in Berlin zur Uraufführung bringen konnte, floh 1935 aufgrund seiner jüdischen Abstammung vor den Nationalsozialisten nach Amerika. Sowohl George Gershwin als auch Leonard Bernstein hatten aus Osteuropa stammende Vorfahren, die ein besseres Leben in Übersee gesucht hatten. Der in Genf geborene, jüdisch-stämmige Ernest Bloch schliesslich hatte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgreich als Komponist in den USA etabliert, ehe seine Wahlheimat in den 1930erJahren aufgrund des grassierenden Antisemitismus zum Exil wurde. Weill, Bernstein und Gershwin hauchte der US-amerikanische Arrangeur Paul Bateman nun mit auf Daniel Hope und die Solo-Violine zugeschnittenen Bearbeitungen neues Leben ein. Er betont aber sogleich: «Die Idee zum Programm sowie die Auswahl der Komponisten gehen auf Daniel Hope zurück – für mich ist es eine grosse Ehre, für einen solch herausragenden Künstler zu schreiben.» Überhaupt ist Bateman von der Zusammenarbeit mit Hope, für den er schon seit 2013 quasi «nonstop» Musik bearbeitet, begeistert: «Daniel hat so viele neue Gedanken und Möglichkeiten für die Musik.» Für Amerika entpuppte sich die Kollaboration von Hope und Bateman als besonders fruchtbar, denn Letzterer hat sich als Dirigent auf die Musik jener Zeit spezialisiert: «Meine frühe Karriere als Music Director des West End theater [mit dem Broadway eine der wichtigsten Musical-Bühnen] gab mir sicherlich ein breites Verständnis zahlreicher verschiedener Stile».

DER AUTODIDAKT: PAUL BATEMAN BRACHTE SICH DAS ARRANGIEREN UND ORCHESTRIEREN SELBST BEI.

Die Suiten, die Bateman auf Musik von Weill, Bernstein und Gershwin komponierte, versprühen dank des sorgfältigen musikalischen Gespürs des Bearbeiters jenes amerikanische Lebensgefühl zwischen Songkultur, Tanzrhythmen und Jazz. Die Basis allerdings ist bei sämtlichen Werken des Konzerts die europäische Musik, die aus der Warte des 20. Jahrhunderts neu durchleuchtet wurde. Diese Idee der profunden Verwurzelung in der westlichen Musikgeschichte kam schliesslich auch Paul Bateman, der sich das Arrangieren und Orchestrieren selbst beibrachte, auf seinem Lebensweg zugute: «Die Orchestrierungsbücher von Hector Berlioz, Nikolai Rimski-Korsakow und Walter Piston sowie das seit meinen Studientagen verfolgte ernste Studium von Harmonie und Kontrapunkt sind in meiner Arbeit von grösstem Vorteil!»

AMERIKA DI, 3. MAI 2022, 19.30 UHR TONHALLE AM SEE

Daniel Hope Music Director Alexey Botvinov Klavier Zürcher Kammerorchester

Grosses Abo, Kleines Abo CHF 110 / 100 / 85 / 60 / 35 Ernest Bloch Concerto grosso Nr. 1 für Streicher mit obligatem Klavier Kurt Weill Song Suite, arrangiert von Paul Bateman Leonard Bernstein Suite from West Side Story, arrangiert von Paul Bateman George Gershwin Song Suite für Violine und Streicher, arrangiert von Paul Bateman