4 minute read

Die Musiker*innen und ihre Instrumente

«ES IST DAS GRÖSSTE GLÜCK AUF DIESEM INSTRUMENT SPIELEN ZU DÜRFEN»

Sie bringt das grösste Instrument im Zürcher Kammerorchester zum Klingen. Stimmführerin Seon-Deok Baik sorgt nicht nur für das klangliche Fundament des Orchesters, sondern zaubert mit einem nahezu sportlichen Einsatz die tiefsten und intensivsten Klänge aus ihrem Kontrabass.

INTERVIEW PETRA MEYER

«Jeder Musiker wird Ihnen gern bestätigen, dass ein Orchester jederzeit auf den Dirigenten verzichten kann, aber nicht auf den Kontrabass.»

PATRICK SÜSSKIND

Seon-Deok, du hast dir mit dem Kontrabass ein Instrument ausgewählt, was schon allein von der Grösse her beeindruckt, und auch der Tonumfang ist gewaltig. War das eine Liebe auf den ersten Blick oder bist du über die Jahre mit deinem Instrument zusammengewachsen? An meiner Schule gab es ein Ensemble, ein Bläserorchester mit zwei Kontrabässen. Der Dirigent war mein Klassenlehrer. Er wusste, dass ich recht gut Klavier spielen konnte, also ein musikalisches Grundverständnis mitbrachte. Und auch wenn man es heute kaum glauben kann, ich war gross damals (lacht). Er schlug mir vor, es bei ihm im Schulorchester mit dem Kontrabass zu probieren. Ich hatte keine Ahnung was für ein Instrument das ist.

Was ging dir durch den Kopf, als du dein neues Instrument dann zum ersten Mal gesehen hast? Das weiss ich noch sehr genau. Für mich war das einfach ein grosser «Holzkasten». Eine Gitarre hatte ich gekannt – aber dieses Instrument? Wie sollte man so etwas halten können? Es gab damals noch keinen Kinderbass. Mein Lehrer stellte die 1,8 Meter grosse Holzkiste auf, gab mir einen Hocker, auf den ich stehen konnte und sagte: «Na los, probiere das mal. Das da sind die Seiten G, D, A, E – die kannst du zupfen oder kratzen.» Dann drückte er mir noch einen Bogen in die Hand, wusste aber selbst nicht genau, wie man ihn richtig hält. Ja, das war meine erste Begegnung mit dem Kontrabass.

Und ab wann begann dann der Unterricht? Das erste Jahre gab es niemanden, der mir zeigen konnte, was ich machen muss. Aber das hat mich wahrscheinlich gereizt: Es war ein grosses Abenteuer, alles selbst herauszufinden. Ich wollte das Instrument immer noch besser kennen lernen. Und so ist es bis heute geblieben. Im Alter von zehn Jahren habe ich dann einen Lehrer bekommen und bereits zwei Jahre später konnte ich im «Seoul Philharmonic Youth Orchestra» mitspielen.

Ab wann hast du daran gedacht, Musikerin zu werden? Darüber habe ich erst sehr viel später nachgedacht. In Korea fehlte es einfach an Vorbildern, die mir hätten helfen können eine Vorstellung von den Möglichkeiten des Kontrabass-Spiels zu entwickeln. Mit 13 Jahren war ich dann zum ersten Mal ganz allein bei einem klassischen Konzert. Auf dem Programm stand George Bizets «Carmen Fantasie». Anstatt der Violine spielte der Kontrabassist Gary Karr die Solopassagen. Er galt seinerzeit als führender Virtuose seines Fachs. Sein Solospiel hat mich zutiefst beeindruckt und mir eine neue Vorstellungswelt eröffnet. Dennoch fühle ich mich bis heute im Ensemble am wohlsten. Die Rolle des Kontrabasses im Orchester, das passt einfach zu mir. Was kannst du uns zu dem Kontrabass erzählen, mit dem wir dich bei Konzerten bewundern dürfen? Das Instrument, das ich im Konzert spiele, gehört dem Orchester. Es ist das grösste Glück meines Lebens, auf diesem Kontrabass spielen zu dürfen. Ganz einfach deshalb, weil es das beste Instrument der ganzen Welt ist. Es ist mit mir so fest verbunden. Es gibt mir uneingeschränkt die Möglichkeit, mich auszudrücken. Ich brauche nicht den wertvollsten Kontrabass der Welt, ich brauche den Bass, der mir antwortet. Dieses Instrument ist für mich ein Universum. Ich kenne viele seiner Möglichkeiten, aber ich kenne sie nicht alle. Es ist ein Medium, mit dem ich mich und die Welt des Klanges immer wieder neu entdecke – und das bereits seit 22 Jahren, seit ich zum ZKO gekommen bin. Dafür bin ich sehr dankbar.

Das ZKO ist ein Orchester, das regelmässig im In- und Ausland tourt. Wie funktioniert das Reisen mit so einem unhandlichen, schweren Instrument? Vor vier Jahren haben die «ZKO Freunde» zwei Reisebässe finanziert. Vorher bekam ich, egal wo auf der Welt wir spielten, einen «Leihbass». Manche waren besser, andere schlechter, aber nicht einer war je so gut wie mein Kontrabass im Orchester. Manche Seiten waren uralt und nicht überholt, manchmal war das Instrument so verstaubt, dass ich es erst putzen musste. Oder noch schlimmer, der Bass war nagelneu – hatte aber keinerlei Klang. Jetzt, mit dem Reisebass, ist die Situation viel besser. Ich bin sehr dankbar dafür.

Was zeichnet einen Reisebass aus? Ein Reisebass ist ein klappbarer Bass. Er wurde speziell für mich, viersaitig, von einem Pariser Instrumentenbauer entworfen und gebaut. Ich hatte im Vorfeld meine Zweifel. Ein klappbarer Bass? Wie soll das klingen können. Aber als ich Patrick Charton kennen gelernt hatte, wusste ich, dieser Mann kann das. Der Bass lässt sich in fünf Minuten auf- und abbauen und der Klang ist erstaunlich gut.

Der Kontrabass hält sich im Hintergrund, ist aber für den vollen Klang eines Orchesters enorm wichtig. Gibt es zwischen dir und deinem Instrument charakterliche Übereinstimmungen? Eigentlich bin ich ein einfacher Mensch. Meine Familie bezeichnet mich als idealistisch. Manchmal stelle ich auch zu viele Fragen. Ich möchte mit einfachen Mitteln ein spannendes Ergebnis, einen maximalen Effekt erreichen. Aus einer Viertelnote und einer Viertelpause kann man so viel machen. Viele Noten spielen ist einfacher als eine Note spielen – im Fokus auf ein Pizzicato: Forte, Piano, Pause! So bin ich – aus nichts möchte ich etwas herausholen. Und davon bekomme ich nicht genug.