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Das künstlerische Betriebsbüro

Konzipieren, planen, organisieren, terminieren: Lena Schneider, Silvan Hürlimann, Alexander Ponet und Valentina De Marchi halten die Fäden im Zürcher Kammerorchester fest in der Hand. Wenn es um den laufenden Spielbetrieb geht, dann kann sich das Orchester auf eine perfekte Organisation im Hintergrund verlassen.

INTERVIEW PETRA MEYER

In jedem Anfang liegt ein spezieller Zauber. Der Beginn eines Konzertes ist so ein Moment. Bevor der erste Ton die gespannte Stille im Publikum durchbricht, bevor die Atmung der Zuhörer flacher und der Puls der Musiker schneller wird, bevor das Orchester gemeinsam mit dem Publikum ein hingebungsvolles Fest der Klänge feiert, davor waren viele Hände und Köpfe leidenschaftlich und ausdauernd über Monate, ja sogar Jahre, damit beschäftigt, dass dieses einmalige Zusammenspiel von Orchester, Klang, Komposition und Publikum immer wieder aufs Neue gelingt.

In den letzten Monaten der Corona-Pandemie war vieles anders. Wo normalerweise alle Rädchen perfekt ineinandergreifen, waren nun vor allem Improvisationstalent und Beweglichkeit gefragt. In kürzester Zeit kamen neue gesetzliche Auflagen und Vorgaben. Vieles musste umgedacht und neugedacht werden. Das grosse Jubiläumskonzert konnte live nur noch vor 50 Besuchern gespielt werden und Mitte Dezember hiess es dann: Rien ne va plus. Nichts geht mehr.

Wie das Künstlerische Betriebsbüro (kurz: KBB) die Herausforderungen der vergangenen Monate erlebt hatte und welche Lösungen gefunden wurden, das erzählen Silvan Hürlimann, Alexander Ponet und Valentina De Marchi im Interview:

Valentina, du bist als Projektmanagerin im KBB vor allem mit der Organisation und Durchführung der Konzerte vor Ort betraut. Was ging in dir vor, als immer klarer wurde, dass das Jubiläumskonzert, das auf den Tag genau 75 Jahre nach dem ersten Konzert des ZKO am 11. Dezember 2020 stattfinden sollte, so wie geplant nicht durchzuführen war? Gefühle der Enttäuschung sind immer dabei, wenn etwas nicht läuft, wie man es sich vorgestellt hat. Aber der Plan auf dem Papier ist im Kulturbetrieb selten das Endresultat, denn jedes Projekt (mit und ohne Corona) verändert sich im Laufe der Zeit und mit seinen unterschiedlichen Planungsphasen. Als immer klarer wurde, dass wir das Jubiläumskonzert sicher nicht vor vollem Haus spielen können, wurde im ganzen Team nach Alternativlösungen gesucht: Die Idee der Übertragung des Konzertes per Live-Stream hat alle überzeugt. Den Frust haben wir also geschickt durch Aufregung, Motivation und Euphorie in Verbindung mit der Neuplanung ersetzt.

Das Jubiläumskonzert kam also per Live-Stream in die Wohnzimmer der Klassikfreunde. Hattest du bereits im Vorfeld Erfahrung mit digitalen Konzertformaten? Mit welchen speziellen Herausforderungen warst du bei der Vorbereitung konfrontiert und welche Momente haben dir besonders viel Freude bereitet? Wir sind überaus glücklich, dass der Live-Stream des Jubiläumskonzertes gut beim Publikum angekommen ist. Wir hatten viele Zuschauer aus Zürich und aus der Schweiz, konnten aber auch unsere Fans in den umliegenden europäischen Ländern und auf der ganzen Welt erreichen. All diese positiven Rückmeldungen im Live-Chat, in den Kommentaren oder via E-Mail zu lesen, erfreut einen natürlich sehr.

Unsere Hauptaufgabe ist es, «Live»-Konzerte zu organisieren. Digitale Konzertformate können zwar für das Publikum im Ablauf ähnlich erscheinen, sind aber technisch und organisatorisch etwas aufwendiger. Glücklicherweise können wir uns auf die professionelle Unterstützung durch unsere eingespielten Partner bei der Umsetzung der virtuellen Formate (Live-Stream, CloseUp usw.) verlassen. Die Herausforderung liegt vor allem darin, ein deutlich grösseres Team als bei den Live-Konzerten möglichst reibungslos zu koordinieren. Dazu gehören eine detaillierte Vorbereitung und eine klare Kommunikation. Alexander, du bist als Projektmanager im KBB vor allem für die Tourneeplanung verantwortlich. Welches war das letzte Gastspiel des ZKO, das im vergangenen Jahr noch stattfinden konnte? Und wie war die Stimmung vor Ort? Das letzte Gastspiel, das wir durchführen konnten, war am 23. Oktober 2020 in der Elbphilharmonie in Hamburg. In dieser unsicheren Pandemiezeit fühlt sich jedes Live-Konzert wie ein Triumph für den Kulturbereich an. Die Organisation im Vorfeld gestaltete sich äusserst aufwendig, da wir neben der regulären Tourneeplanung auch die sich laufend verändernden behördlichen CoronaVorgaben und Reisebeschränkungen im Auge behalten mussten. Schlussendlich verlief die Reise, auch dank der durchgehend negativen Covid-19-Testergebnis, völlig problemlos. Als die Musiker gesund und wohlbehalten wieder zurück in der Schweiz ankamen, war das, trotz des erfolgreichen Konzertes, eine grosse Erleichterung.

Keine Tourneen – keine Aufgaben! Ist das so, oder mit welchen Themen bist du momentan im ZKO beschäftigt? Momentan finden tatsächlich keine Tourneen statt, aber viele Aufgaben stehen dennoch an. Auch wenn wir im KBB unsere Kernbereiche besitzen, arbeiten wir

bei der Umsetzung aller Projekte sehr eng zusammen. Grundsätzlich beginnen die Planungen für eine Tournee oder ein Abo-Konzert viele Monate bis Jahre im Voraus. Sprich, wir kümmern uns nicht nur um die aktuell anstehenden Projekte, sondern setzen uns auch mit der Planung der nächsten zwei bis drei Saisons auseinander. Darunter versteht sich einerseits die künstlerische Planung mit Fragen wie: Welche Gastkünstler werden eingeladen, welches Programm wird gespielt, welche Location ist geeignet. Und dazu kommt dann die Projektfeinplanung mit Reiseplan, Notenakquise, Vertragserstellung, um einige Beispiel zu nennen.

Darüber hinaus bleibt das KBB hinsichtlich Innovation im Kulturbereich nicht stehen: Die Digitalisierung verändert auch unsere Arbeitsweise. Vor einigen Jahren sind wir auf die Orchester-Plattform 442hz.com umgestiegen. Und auch im Bereich Notenbibliothek wird der Abstand zwischen physischen Noten und digitalen Noten immer geringer. Kurz: Auch wenn gerade keine Live-Konzerte stattfinden, befinden sich weder das Orchester noch die Administration in den Ferien. Silvan, du bist als Orchestermanager für sämtliche Belange des Orchesters zuständig. Als Schnittstelle zwischen Orchester und KBB kennst du die Stimmung im Orchester sehr genau. Wie haben die Orchestermitglieder auf die Ungewissheit der vergangenen Monate reagiert? Eigentlich wie wir alle hier: sehr professionell und diszipliniert! Das ZKO hat ja schon seit jeher den Ruf, grundsätzlich in allen Belangen sehr agil und flexibel zu sein. Dieser Ruf hat sich für mich in dieser speziellen Zeit nun mehrere Male bestätigt. Das ist meines Erachtens nur möglich, wenn ganz viele Dinge im Hintergrund und im Charakter aller Beteiligten stimmen und zusammenpassen.

Du begleitest das ZKO bereits seit vielen Jahren und hast mit Sicherheit schon einige Turbulenzen erlebt. Wie hat dir deine langjährige berufliche Erfahrung geholfen, mit dieser neuen Situation umzugehen? Naja, es ist halt ein bisschen wie auf einer Achterbahn. Das erste Mal ist es noch am spektakulärsten. Aber irgendwann, nach mehreren Fahrten, fängt man an es zu geniessen. Wobei einen das Kribbeln doch immer irgendwie begleitet.