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POLITIK & VERWALTUNG

EIN NEUER GESTALTUNGSANSATZ

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Der Weg in die Zukunft UNESCO-Zukunftsbildung: „Die Armut der Einbildungskraft überwinden“. Ein neuer Bildungs-, Erziehungs- und Gestaltungs-Ansatz für alle. von Roland Benedikter

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ie UNESCO ist die Welt-Bildungs-, Kultur- und Erziehungsorganisation der Vereinten Nationen. Sie hat die Aufgabe, die Menschheit durch gemeinsame Ideen – und die gemeinsame Arbeit an diesen Ideen – zu vereinen. Dazu hat sie seit einigen Jahren als Herzstück den neuen Ansatz der UNESCO-„Zukünftebildung“ entwickelt. Diese „Zukünftebildung“ baut auf die Organisation eines gemeinsamen Zukunftsdialogs zwischen Menschen allen Alters, Berufs, Geschlechts sowie sozialer und kultureller Zugehörigkeit. Dieser Dalog wird territorial organisiert. Er soll in Schulen, an Universitäten und in der Zivilgesellschaft neue Möglichkeiten der Teilhabe an Zukünften eröffnen – und dadurch diese Zukünfte gemeinsam als offenes Gesellschaftsprojekt reifen lassen. Davon können dann Politik und Bürger gleichermaßen für Gestaltungsansätze inspiriert werden. Mitarbeiter und Führungskräfte verschiedenster Organisationen und Bereiche – vom Handwerk über das Banken-, Finanzund Wirtschaftswesen bis hin zum Technologiebereich – können sich in „Zukunftsfähigkeit“ schulen oder ausbilden lassen, wie sie von den Vereinten Nationen als transversale neue Grundfähigkeit empfohlen wird. Damit wird der Umgang mit möglichen Zukünften auf eine neue Stufe gehoben. Das stärkt die Widerstands- und Selbsterneuerungsfähigkeit von Menschen und Organisationen für Wohlstands- und Krisenzeiten. Vor allem aber lässt es eine Vielfalt von Ideen sprießen; macht Vorstellungen klarer; gleicht unterschiedliche Erwartungen, Hoffnungen und Sorgen einander an; und ist ein Projekt der Freude im Menschheitsgeist der UNESCO. Zukunft wird hier nicht vorrangig als Ort oder Raum, sondern als menschliche PZ 1 | 13. J Ä N N E R 2022

Fähigkeit verstanden. Sie ist nicht irgendwo weit entfernt, sondern hier und jetzt im Menschen selbst.

DIE ZUKÜNFTEBILDUNG

Die UNESCO-Zukünftebildung wird von der UNO als integrativer Erziehungs-, Bildungsund Politik-Ansatz für alle Felder empfohlen. Territorial breit angewandt und sektorenübergreifend praktiziert, kann sie für Veränderung im Sinn von Verbesserung sorgen – auch im Gefühl und im Zugehörigkeitsempfinden der Bevölkerung. Menschen fühlen sich eingebunden, und die Politik hat breitere Spielräume. Für Südtirol heißt das: Zukünftebildung stärkt den „Autonomiepatriotismus“ (LH Arno Kompatscher). Zukünftebildung (oder wie sie im Englischen ursprünglich heisst: „Futures Literacy“) dient zudem auch als Katalysatorin von Interund Transdisziplinarität in den Sozialwissenschaften als Grundlage der Regionalentwicklung (einschließlich Wirtschaft, Recht, Politik und Geisteswissenschaften) und zur Integration verschiedener Strategieansätze, darunter Südtirols Nachhaltigkeitsstrategie und die Intelligente Regionale Spezialisierung-Strategie (RIS3-Strategie). Zukunft

ist laut UNESCO eine Bildungsaufgabe, die auf allen Ebenen eingeführt werden sollte. Dabei vereint die UNESCO-„Zukünftebildung“ ausdrücklich Theorie („Futures Literacy“, kurz: FL) mit der Arbeit vor Ort und in der Praxis („Futures Literacy Laboratorien“, kurz: FLL). So soll sie als Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis und zwischen Politik und Bürger, Führungskräften und Mitarbeitern dienen.

DIE GRUNDIDEE

Die Grundidee der „Zukünftebildung“ ist, dass es nicht eine Zukunft, sondern viele Zukünfte gibt. Diese existieren gleichzeitig neben- und miteinander in einem Wechselspiel. Zudem verändern sie sich im Vergehen der Zeit. Deshalb gilt es sie in ihrer Verschiedenheit gemeinsam zu berücksichtigen – und zusammenzuschauen, wozu Dialog nötig ist. Dieser Dialog sollte nicht nur eine bestimmte Zeit lang, sondern im Grunde ständig stattfinden. Es geht der UNESCO deshalb nicht um „Zukunftsbildung“ (Einzahl), sondern eben bewußt um „Zukünftebildung“ (Mehrzahl). Auch soll diese Zukünftebildung nicht nur „von oben nach unten“, sondern wechselseitig und trans-


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