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Sommermorgen

von links: Inès Morin, Jana Karsko, Frauke Tometten Molino

Werke für die ungewöhnliche Besetzung mit zwei Violinen und einer Bratsche sind fürwahr seltene Pflänzchen. Genau dies macht die Pflanzengattung so anziehend – für Komponisten und fürs Publikum erst recht.

TEXT FELIX MICHEL

Wäre die Musikgeschichte eine Landschaft, so bildeten Sinfonien vielleicht eine lange Allee darin. Menschenscharen werden in Reisecars vorbeichauffiert und staunen über die mächtigen Stämme links und rechts und über die dunkelgrünen Blätterdächer, die sich hoch über ihnen wölben. Die Gärtner, will sagen Komponisten, müssen die Allee ebenfalls hinunterfahren, bis sie einen freien Pflanzplatz finden. Natürlich sind sie bis dahin – allein 103 Exemplare von Haydn haben sie gesehen! – gehörig eingeschüchtert und setzen dann eine mindestens so dicke Eiche, die sie in jahrelanger Arbeit hegen und pflegen müssen.

Streichquartette wüchsen in dieser Landschaft in einem aufwendig gepflegten Garten mit kunstvoll geschnittenen Buchsbaum- und Lorbeerbüschen. Hier schreiten die Besucher mit Kennermiene den Hecken entlang, oft einen Gartenplan, will sagen Kammermusikführer, in der Hand. Die Beethoven’schen Gewächse sind besonders gewaltig; der Blick ins Blattwerk verliert sich in unergründlicher Tiefe. Brahms hat seine Beiträge besonders kurz gestutzt, weshalb sie etwas stachelig geraten sind; bei Anton Webern ist der Quartett-Busch gänzlich blattlos, um noch strenger auszusehen als seine Vorgänger.

Nun packt aber manche Komponisten auch einmal die Lust, ein ganz eigenes Beet zu bestellen. Antonín Dvorák ist ein solcher Fall. 1887 ist er längst international berühmt und normalerweise mit Grossbotanik beschäftigt (eben erst hat er seine 7. Sinfonie op. 70 gezogen, die Messe op. 86 keimt bereits). Doch zwischen dem 7. und 14. Januar findet er Zeit für eine Heimpflanze: Zurück aus London, wohnen Dvoráks bei der Schwiegermutter in Prag, wo auch ein junger Chemiestudent ein Zimmer gemietet hat. Dieser spielt hobbymässig Geige, und Dvorák schreibt flugs etwas Hausmusik, die der Student, dessen Violinlehrer und Dvorák selbst – von Haus aus Bratscher – aufführen wollen. Das wunderbare Pflänzchen erweist sich bald als zu gross fürs Zimmer, will sagen: als zu anspruchsvoll für den jungen Untermieter. Dvorák schreibt sofort einen leichteren Ersatz. Das ursprüngliche Terzetto gibt er als op. 74 in Druck; es wächst nun sozusagen öffentlich. Allerdings in einem ganz eigenen Gärtchen, denn für die Besetzung – zwei Geigen, Bratsche – gibt es in der Musikgeschichte kein direktes Vorbild.

Zu diesem Gärtchen fährt kein Reisecar. Wer aber den Weg kennt, hütet sein Wissen wie einen Schatz. Und Schätze birgt das Gärtlein: Zoltán Kodály hat 1920 seine ganz exquisite, wunderschöne Serenade op. 12 dort gepflanzt; ein echter Geheimtipp. 1932 folgte ihm Bohuslav Martinu mit einem federleichten eigenen Exemplar. Auch die langjährige ZKO-Geigerin Jana Karsko kennt den Weg zu diesem blühenden Winkel der Musikgeschichte. Sie hat dieses Konzertprogramm nämlich gestaltet – und lädt Sie, liebes Publikum zum Mitkommen ein!

KAMMERMUSIK@ZKO: SOMMERMORGEN SO, 12. JUNI 2022, 11.00 UHR ZKO-HAUS

Jana Karsko Violine Inès Morin Violine Frauke Tometten Molino Viola

Bohuslav Martinů Serenade Nr. 2 für zwei Violinen und Viola H. 216 Antonín Dvořák Terzett C-Dur für zwei Violinen und Viola op. 74 Zoltán Kodály Serenade für zwei Violinen und Viola op. 12

CHF 40

JETZT ODER NIE!

Mitmachen, gewinnen, erleben! Wir verlosen 10 x 2 Konzerttickets inkl. Übernachtung.

Alle Informationen und Teilnahme auf davosfestival.ch Teilnahmeschluss: 15. Juni 2022