2 minute read

EIN SCHATTENGEWÄCHS DER WIENER KLASSIK

Er hatte das Pech, zwischen Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven zu sitzen: Johann Nepomuk Hummel. Einzig sein Trompetenkonzert hat überlebt. Ein Rettungsversuch.

Sein Start ist verheissungsvoll. Johann Nepomuk Hummel (1778–1837) wächst in der Musikmetropole Wien auf und bekommt mit fünf Jahren das erste eigene Klavier geschenkt. Der Vater überantwortet den Unterricht des begabten Sohnes 1786 einem gewissen Wolfgang Amadeus Mozart. Hummel wird zum Wunderkind an den Tasten und tourt begleitet von seinem ehrgeizigen Vater samt Übungsklavier im Gepäck durch Europa. Fünf Jahre geht es durch Deutschland, Dänemark, Schottland, England und zuletzt durch das damalige Holland.

Zurück in Wien, tritt der 15-Jährige ein ernsthaftes Studium an: Kontrapunkt bei Johann Georg Albrechtsberger, Gesang und Philologie bei Antonio Salieri und Orgelunterricht bei Joseph Haydn. Haydn vermittelt den glänzenden Improvisator und Komponist subjektiv-erregter Klaviermusik 1804 an den fürstlich-esterhàzyschen Hof nach Eisenstadt und ins Amt des Kirchenmusikkomponisten.

Hummels Weg führt anschliessend zurück nach Wien, dann als Leiter der Oper nach Stuttgart und 1819 als Hofkapellmeister nach Weimar. Hummel ist nach wie vor ein gefragter Pianist und tritt neben seinen Verpflichtungen am Hof weiterhin als Solist auf.

Die Musikentwicklung beginnt, den sich von Clementi und Mozart nährenden Komponisten zu überholen. Beethoven führt das Szepter und drängt den Freund und Konkurrenten ins Abseits. Bevor Hummel 1813 die Opernsängerin Elisabeth Röckel heiratet und sie die Bühne mit dem Haushalt vertauscht, ist sie eine enge Freundin Beethovens. Sie könnte die Widmungsträgerin von Beethovens populärem Klavierstück a-Moll ohne Opuszahl sein. Auf dessen verschollenem Autograf soll «Für Elise am 27. April zur Erinnerung von L. v. Bthv.» stehen.

Rettungsversuche vergessener Komponisten gelingen eher, wenn ein grosser Name für sie eintritt. Avi Avital versteht sich als Botschafter Hummels und seines Konzerts für Mandoline, einem sparsam instrumentierten Konzert, das dem leisen Zauber des Zupfinstruments huldigt. Zu Hummels Zeit wird in Wien die Mandoline cremonesischer und brescischer Bauart bevorzugt. Sie ist mit vier einzelnen Darmsaiten bespannt und klingt samtener als die achtsaitige drahtbespannte Mandoline aus Neapel.

Avital tritt mit einer achtsaitigen Mandoline auf und könnte Don Giovanni in dessen berühmter Canzonetta begleiten. Als Mozart diese charmante Einlage einfiel, war Hummel sein Schüler. Auch Beethoven verneigte sich vor dem Zupfinstrument und komponierte Mitte der 1790er-Jahre vier Werke für Mandoline und Cembalo. Avital rückt auch diese versunkene Musik ins Licht und spielte das anrührende Adagio ma non troppo zusammen mit Olga Paschchenko am Hammerflügel im Konzert. Beethoven schrieb die Musik für Comtesse Josephine von Clary-Aldringen, eine bekannte Sängerin und Mandolinenspielerin. «pour la belle J par LvB» lautet die Widmung im Autograf. Ernster ist es Beethoven, als er sein Quartett f-Moll, op. 95 mit der Eigenschaft «serioso» kategorisiert und damit sich selbst in die Pflicht nimmt. Er müsse sich daran gewöhnen, alle vier Stimmen «im Kopfe zu entwerfen», bevor er etwas niederschreibe.

SERIOSO

SO, 4. JUNI 2023, 19.30 UHR KIRCHE NEUMÜNSTER ZÜRICH

Avi Avital Mandoline

Willi Zimmermann Violine und Leitung Zürcher Kammerorchester

CHF 75

Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie Nr. 27 G-Dur, KV 199

Johann Nepomuk Hummel Konzert für Mandoline G-Dur Ludwig van Beethoven Streichquartett Nr. 11 f-Moll, Quartetto serioso, op. 95, arrangiert für Streichorchester von Gustav Mahler