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LA CHEFFE MIT VIER OHREN

Lucie Leguay versteht sich als Kollaborateurin und sprüht vor Energie. Ihr Rezept für ein wirkungsvolles Dirigat: klare Gesten, wenig Worte und möglichst viele Ohren.

Ihr Sprechtempo ist so rasant wie ihre Karriere. «Dirigentin sein heisst, eine Balance finden zwischen Autorität und Freiheit.» Diese Haltung überzeugte 2018 die Jury eines Wettbewerbs für Nachwuchsdirigentinnen in der Philharmonie de Paris. Dort fand sich Lucie Leguay mit 28 Jahren ein, eben hatte sie den Master für Dirigieren an der Haute École de Musique in Lausanne abgeschlossen. Seither assistierte sie etwa Matthias Pintscher, dem Leiter des Ensemble Intercontemporain, und konnte eng mit dem Dirigenten und Komponisten Peter Eötvös sowie Heinz Holliger und Kaija Saariaho zusammenarbeiten. 2021 tauschte sie diese Rollen mit einem Vertrag als Assistentin von Mikko Franck beim Orchestre Philharmonique de Radio France und wird vermehrt als Gastdirigentin prominenter Orchester eingeladen.

Leguay versteht sich als Kollaborateurin im Dienst der Musik, die gleichzeitig «Chef» ist. Sie besteht auf der männlichen Form und hält wenig von gendergerechter Sprache. Ihre Aufgabe sei es, die Idee des Komponisten zu vermitteln und dafür ein zu ihr passendes Vorgehen anzuwenden. «Ich schlage etwas vor, wir probieren, dann probieren wir etwas anderes – abschliessend fälle ich eine Entscheidung.»

Oft hat Lucie Leguay wenig Zeit dafür, weil eine Residenz nach zwei bis drei Tagen endet. Das Konzert ist auch ein Gradmesser der psychologischen Feinarbeit. Sie prägt das künstlerische Ergebnis weit mehr als Aussenstehende vermuten. Leguay weiss, wie hart Musikerinnen und Musiker sein können, wenn sie sich nicht respektiert fühlen. Der Alleinherrscher am Pult ist von gestern, findet sie. Vieles sei in Bewegung, die Bereitschaft da, Frauen am Pult zu akzeptieren. Noch brauche es aber Förderinstrumente ausschliesslich für Dirigentinnen, um Frauen sichtbar zu machen und ihnen den Platz einzuräumen, der ihnen zusteht.

Eine Interpretation muss fundiert sein und beruht auf der Analyse der Partitur. Die stille Arbeit am Tisch, im Zug oder im Hotel ist massgeblich für die Vorbereitung einer Probe. «Ich antizipiere zum Beispiel schwierige Stellen und überlege mir, wie ich sie zerlegen könnte.» Das Wissen darum entspannt das Proben und nimmt Druck vom eng getakteten Fahrplan des Musikbetriebs: «Wenn für ein Solokonzert mit Orchester eine einzige Probe reichen muss, zählt jede Minute.» Sagt es und freut sich auf das Mentoring beim Festival d’Aix im kommenden Sommer. Dort wird sie mit dem Balthasar Neumann Orchestra arbeiten können und sich in die historische Spielpraxis vertiefen. Thomas Hengelbrock, der sie coacht, kam wie sie über Umwege ans Pult: Er war Barockgeiger in Freiburg im Breisgau und sie Pianistin in Lille, als der Funke zündete.

JUNG UND WILD

DI, 13. JUNI 2023, 19.30 UHR

TONHALLE ZÜRICH

Lucie Leguay Leitung

Pascal Deuber Horn

Zürcher Kammerorchester

CHF 110 / 100 / 85 / 60

Igor Strawinsky Konzert für Streichorchester D-Dur, Basler Concerto

Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie Nr. 40 g-Moll, KV 550

Igor Strawinsky Konzert für Kammerorchester Es-Dur, Dumbarton Oaks

Wolfgang Amadeus Mozart Konzert für Horn und Orchester Nr. 4 Es-Dur, KV 495