ZKO Opus IV 2016/17

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P RO G R A M M M AG A Z I N A P R I L   –   J U N I 17


Klänge, die berühren Ob der satte Klang eines 12-Zylinders oder die zarte Passage von Klavier und Geige – uns fasziniert harmonisches Zusammenklingen. www.amag.ch

Mit Leidenschaft. Für Sie.


E D I TO R I A L

E D I TO R I A L

MICHAEL BÜHLER Liebe Konzertbesucherinnen, liebe Konzertbesucher

Mit dem nahenden Sommer geht eine spannende und abwechs­ lungsreiche Konzertsaison ihrem Ende entgegen. Vor der Sommerpause zünden wir noch ein vielversprechendes Schlussbouquet: Begegnen Sie unserem Artist in Residence, Klaus Maria Brandauer, gleich zweimal: zum einen im märchenhaften Kinderkonzert «Weiss der Kuckuck!?», zum anderen im packenden Abschlusskonzert «Shakespeares Sturm» mit Musik von Mozart. ­Erleben Sie ausserdem den sympathischen Schweizer Flötisten ­Emmanuel Pahud hautnah im Schauspielhaus mit Werken von Pleyel und Mozart. Vielleicht haben Sie auch Lust, Zirkusluft zu schnuppern. Dann besuchen Sie doch den «Puppenspieler Titiritero» – ein Konzert, für welches wir mit dem faszinierenden und beliebten Kinderzirkus Robinson zusammenarbeiten. Und was erwartet uns in der kommenden Saison? Ohne zu viel verraten zu wollen, nenne ich Ihnen einige Namen wie Daniel Hope, Sir Roger Norrington, Vadim Repin, Gil Shaham, Menahem Pressler, Radu Lupu, Isabelle Faust, Christian Zacharias, Vesselina Kasarova, Maurice Steger oder Anoushka Shankar. Wir freuen uns, Sie musikalisch in den Sommer zu begleiten. Das Zürcher Kammerorchester und ich wünschen Ihnen viele unver­ gessliche Konzertmomente.

Ihr Michael Bühler Direktor

Hauptpartner

Innovationspartner

Subventionsgeber und Gönner

03


Music Director Daniel Hope 1. Violine Willi Zimmermann, Konzertmeister Donat Nussbaumer, Stv. Konzertm. Sandra Goldberg Jana Karsko Asa Konishi Jankowska Kio Seiler 2. Violine Daria Zappa Matesic, Stimmführung Silviya Savova-Hartkamp, Stv. Stimmf. Anna Tchinaeva, Stv. Stimmführung Hiroko Takehara Strahm Viola Ryszard Groblewski, Stimmführung Frauke Tometten Molino, Stv. Stimmf. Janka Szomor-Mekis Pierre Tissonnier Violoncello Nicola Mosca, Stimmführung Anna Tyka Nyffenegger, Stv. Stimmf. Silvia Rohner Geiser

DA S Z Ü R C H E R K A M M E RO R C H E S T E R SAISON 2016 – 2017 1945 durch Edmond de Stoutz gegründet, zählt das Zürcher Kammerorchester heute zu den führenden Klangkörpern seiner Art. Unter der Leitung von Edmond de Stoutz und später von Howard Griffiths und Muhai Tang erlangte das Ensemble internationale Anerkennung. In der Ära mit dem weltweit angesehenen Principal Conductor Sir Roger Norrington, von 2011 bis 2015, konnte das Zürcher Kammer­ orchester seine hervorragende Reputation nachhaltig festigen. In der Saison 2016/17 leitet mit Music Director Daniel Hope erstmals kein Dirigent, sondern ein Instrumentalist das Orchester. Regelmässige Einladungen zu internationalen Festivals, Gastspiele in den bedeutenden Musikzentren Europas, Konzerttourneen auf fast allen Kontinenten sowie zahlreiche gefeierte CD-Produktionen belegen das weltweite Renommee des Zürcher Kammer­orchesters. Das Repertoire ist breit gefächert und reicht von Barock (in historisch informierter Spielweise auf Darmsaiten und mit Barockbögen) über Klassik und Romantik bis zur

Kontrabass Seon-Deok Baik, Stimmführung Hayk Khachatryan, Stv. Stimmf.

Gegenwart. Bemerkenswert ist zudem die Zusammenarbeit mit Musikern aus anderen

Oboe Roman Schmid

lichen sowie die Förderung junger Instrumentalisten sind dem Zürcher Kammer­

Horn Thomas Müller Martin Ackermann Cembalo Naoki Kitaya

Bereichen wie Jazz, Volksmusik und populäre Unterhaltung. Die Nuggi-, Krabbel-, Purzel-, abc- und Kinderkonzerte, die Vermittlungsarbeit mit Kindern und Jugend­ orchester ebenso wichtig wie die kontinuierliche Zusammenarbeit mit weltweit gefeierten Solisten.

www.zko.ch


I N H A LT

I N H A LT S V E R Z E I C H N I S

08

06

15

22

18

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KONZERTÜBERSICHT

30

Alle ZKO-Konzerte auf einen Blick 08

FOKUS

KIND UND KEGEL Grosse Töne für die Kleinen

31

Der Flötist Emmanuel Pahud über

ZKO INSIDE Im Gespräch mit Sandra Goldberg

Musik in revolutionären Zeiten 32 15

ZKO AKTUELL Eisiges und Herzerwärmendes

DER PUPPENSPIELER TITIRITERO Der Kinderzirkus Robinson führt

34

ins Reich der Fantasie 18

WEISS DER KUCKUCK!?

ZKO FREUNDE Könner brauchen Gönner

36

Klaus Maria Brandauer

KOLUMNE Daniel Hope – Hören Sie mal zu!

als Märchenerzähler 39 22

PIERRE-LAURENT AIMARD Warum wir die Klassiker heute anders hören

26

SHAKESPEARES STURM Der Stoff, aus dem die Träume sind – Klaus Maria Brandauer und Daniel Hope bringen ihn zum Klingen

VORSCHAU / IMPRESSUM

05


06

KO N Z E R T Ü B E R S I C H T

A L L E Z KO - KO N Z E RT E AUF EINEN BLICK

APRIL 17

S O, 2 3 . A P R I L 2 0 1 7 , 1 1 . 0 0 U H R , Z KO - H A U S DER PUPPENSPIELER TITIRITERO

MAI 17 S O, 7 . M A I 2 0 1 7 , 1 1 . 0 0 U H R , Z KO - H A U S

Kinderkonzert Kinderzirkus Robinson

KAMMERMUSIK@ZKO

Edouard Mätzener Violine

Kurt Meier Oboe

Donat Nussbaumer Konzertmeister

Asa Konishi Jankowska Violine

Zürcher Kammerorchester

Arlette Meier-Hock Violine Hiroko Takehara Strahm Viola Silvia Rohner Geiser Violoncello

SA, 1. APRIL 2017,

Werke von Spohr, Ravel und weiteren

1 5 . 0 0 U H R , Z KO - H A U S S O, 2 . A P R I L 2 0 1 7 , 1 1   /   1 5 U H R , Z KO - H A U S

S O, 7 . M A I 2 0 1 7 , 1 4   /   1 6 U H R , Z KO - H A U S

DER PUPPENSPIELER TITIRITERO Kinderkonzert

NUGGI-KONZERT

Kinderzirkus Robinson

Kurt Meier Oboe

Edouard Mätzener Violine Donat Nussbaumer Konzertmeister Zürcher Kammerorchester

Asa Konishi Jankowska Violine FR, 28. APRIL 2017, 2 0 . 0 0 U H R , Z KO - H A U S

Arlette Meier-Hock Violine Hiroko Takehara Strahm Viola Silvia Rohner Geiser Violoncello

DIRECTOR’S CUT III Daniel Hope Gastgeber Klaus Maria Brandauer Special Guest Matthias Mueller Klarinette Michael Collins Klarinette Zürcher Kammerorchester

S O, 3 0 . A P R I L 2 0 1 7 , 1 1 . 0 0 U H R , S O, 9 . A P R I L 2 0 1 7 , 1 1  /  1 6 U H R ,

TO N H A L L E , G RO S S E R S A A L

1 4 . 0 0 U H R ( E N G L . ) , Z KO - H A U S WEISS DER KUCKUCK!? DIE RIESENGROSSE RÜBE

Kinderkonzert

Krabbel-Konzert

Klaus Maria Brandauer

Thomas Douglas Konzept / Erzählung

Willi Zimmermann Konzertmeister

Musikerinnen und Musiker des ZKO

Zürcher Kammerorchester

Werke von Spohr, Ravel und weiteren


BILLETTKASSE ZKO-BILLETTKASSE Seefeldstrasse 305 CH-8008 Zürich E-Mail: billettkasse@zko.ch Tel. 0848 848 844 Fax 044 388 36 10 SA, 13. MAI 2017,

DI, 23. MAI 2017, 19.30 UHR,

ÖFFNUNGSZEITEN

1 1   /   1 4   /   1 6 U H R , Z KO - H A U S

TO N H A L L E , G RO S S E R S A A L

Mo – Fr 11.00 bis 17.00 Uhr durchgehend

ROBINSON HASE

PIERRE-LAURENT AIMARD

Purzel-Konzert

Meisterzyklus-Abo, Piano-Abo

BILLETTKASSE TONHALLE

Markus Buehlmann Konzept / Erzählung

Pierre-Laurent Aimard Klavier

Claridenstrasse 7, Zürich

Musikerinnen und Musiker des ZKO

Werke von Schubert, Kurtág und Beethoven

Tel. 044 206 34 34 SCHAUSPIELHAUS PFAUEN (für Konzerte im Schauspielhaus)

S O, 1 4 . M A I . 2 0 1 7 ,

Rämistrasse 34, Zürich

1 1 . 0 0 U H R , Z KO - H A U S

Tel. 044 258 77 77 DER PUPPENSPIELER TITIRITERO

MUSIK HUG

Kinderkonzert

Limmatquai 28 – 30, Zürich

Kinderzirkus Robinson Edouard Mätzener Violine

JELMOLI ZÜRICH-CITY

Donat Nussbaumer Konzertmeister

Seidengasse 1, Zürich

Zürcher Kammerorchester

JUNI 17

STARTICKET www.starticket.ch

FR, 19. MAI 2017, 19.30 UHR,

S O, 1 1 . J U N I 2 0 1 7 , 1 4 . 3 0 U H R ,

Z E N T RU M PA U L K L E E , B E R N

PA R K I M G R Ü E N E , R Ü S C H L I KO N

EMMANUEL PAHUD

PARKKONZERT

Emmanuel Pahud Flöte

Jolanda Steiner Erzählerin

Willi Zimmermann Konzertmeister

Zürcher Kammerorchester

Zürcher Kammerorchester

Ersatzdatum: So, 25. Juni

Werke von Pleyel und Mozart SA, 24. JUNI 2017, 19.30 UHR, S O, 2 1 . M A I 2 0 1 7 , 1 6 . 0 0 U H R ,

TO N H A L L E , G RO S S E R S A A L

S C H A U S P I E L H A U S P FA U E N SHAKESPEARES STURM EMMANUEL PAHUD

Grosses Abo, Kleines Abo

Grosses Abo

Klaus Maria Brandauer

Emmanuel Pahud Flöte

Daniel Hope Violine

Willi Zimmermann Konzertmeister

Willi Zimmermann Konzertmeister

Zürcher Kammerorchester

Zürcher Kammerorchester

www.zko.ch

Werke von Pleyel und Mozart

Werke von Mozart

BESUCHEN SIE UNS AUF


08

FOKUS


FOKUS

EMMAN UEL PA H UD I S T EI N ER D E R E R F O LGR E IC HST E N F LÖ T IST E N D E R W E LT. MIT DEM ZKO VERBINDET DEN SCHWEIZER, DER HEUTE BEI DEN BERLINER PHIL HARMON I KERN S P I ELT, EI N E LA N GE GE SC HIC HT E – N U N K E HRT E R M IT WERKEN VON MOZ ART U N D PLE YE L N AC H ZÜ R IC H ZU R Ü C K .

Emmanuel Pahud, Sie werden Werke von

Pleyels Biografie ist äusserst spannend: Er wurde in

Mozart und Pleyel mit dem ZKO spielen. Wie

Niederösterreich in arme Verhältnisse geboren und

kam es zu dieser Auswahl?

schon als Kind gefördert. Graf Erdödy wurde sein

Mozart gilt ja als Superstar der Klassik, aber mich

Gönner und hat ihm unter anderem Unterricht bei

interessiert genauso, was seine Zeitgenossen getrieben

Joseph Haydn finanziert. Haydn hat sofort das grosse

haben, von denen viele leider in Vergessenheit gera­

Talent Pleyels erkannt. Später haben die beiden ge­

ten sind. Komponisten wie Ignaz Pleyel haben das

meinsam in London gearbeitet – und Pleyel ist sehr

­Musikleben ihrer Zeit grundlegend mitgestaltet – und

erfolgreich geworden.

es ist spannend, ihr Leben und Werk neu zu entdecken. ... und er ist mitten in der Französischen RePleyel ist besonders als Klavierbauer und als

volution aus London nach Paris gezogen.

Verleger bekannt, nach ihm ist ein Pariser

Ja, er war ein Mann, der Interesse an den Umbrüchen

Konzertsaal benannt – was waren seine Ver-

seiner Zeit hatte. Pleyel hatte zuvor schon in Strassburg

dienste als Komponist?

gelebt – und Paris wurde seine Wahlheimat.

09


10

FOKUS

In der es ihm aber nicht immer gut erging.

eine ­E rfindung der späteren Klassik, in der die

Angeblich soll er als Österreicher – und­

alten Auftraggeber allmählich verschwanden und

damit als Feind der Französischen Revolu-

die Komponisten Musik für ein neues Publikum

tion – eingesperrt worden sein und sich mit

­m achen mussten. Plötzlich wurde in öffentlichen

dem Komponieren von Revolutionshymnen

Konzerten musiziert, und nicht mehr nur für den Hof.

freigekauft haben.

Diese Umstände verlangten nach neuen F ­ ormen, und

So besagt es die Legende. Sicher ist, dass er be­

das Solokonzert, in dem sich ein Instrument expo­

reits 1790, als in Strassburg die neue Verfassung

niert, passte perfekt.

pro­k lamiert wurde, eine «Hymne à la Liberté» ­komponiert hat. Er war der Revolution gegenüber also durchaus aufgeschlossen und hat als Klavier­ bauer und Verleger von ihr profitiert. Ist seine Musik auch revolutionär? Überhaupt nicht! Pleyel war ein sehr begabter Musiker, der die Errungenschaften der Klassik perfekt in Szene gesetzt hat. Seine Musik ist ausgeglichen, sehr geord­

«Musik ist eine Vision dessen, was die Menschen erhoffen. In Pleyels Zeit waren das die Ruhe und die klare Form.»

net und der Form verpflichtet. Diese Tugenden lassen sich auch in seinem Flötenkonzert erkennen: Da ist die g ­ rosse Einleitung durch das Orchester und der

Pleyel war als Instrumentenbauer und

ausgetüftelte Dialog mit dem Soloinstrument. ­Alles

­Herausgeber ein gewiefter Unternehmer. Ist

klingt nach Mozart und ist doch irgendwie anders.

auch seine Musik am Ende nur ein Abbild des

Das Konzert ­existiert auch in Fassungen für Klarinette

Massengeschmacks?

und Cello – es war sicherlich kein Gelegenheitswerk,

Pleyel hat die Chancen ergriffen, die sich ihm g­ e­boten

sondern ein Stück, an dem Pleyel lange gearbeitet

haben. Er hat es verstanden, ein zahlungskräftiges

hat. Für mich ist es ein Meisterwerk der vollendeten

Publikum im neuen Bürgertum zu finden. Ich finde

klassischen Form.

dies auch gar nicht schlimm: An Pleyel kann man sehen, wie Musik immer auch vom Publikum be­

Wie kommt es, dass viele Musiker gerade in

stimmt wird. Es ist eine Konstante der Musik­

den Wirren der Revolution so konventionelle

geschichte, dass Komponisten immer vom freien

Musik geschrieben haben?

Markt geprägt waren, das war bei Händel schon

Ich finde es schwer, die Arbeit von Komponisten

so, bei Richard Strauss – und ist bis heute in die

im Nachhinein psychologisch zu erklären. Aber

Popmusik zu verfolgen. Musik, die bei den Massen

ich kann mir vorstellen, dass die Menschen sich in

erfolgreich ist, muss nicht immer schlecht sein.

­Zeiten des Umbruchs Sicherheit wünschen – und ein Stückchen dieser Sicherheit haben sie sicherlich in

Nicht ganz zur Mode der damaligen Zeit

den Konventionen der klassischen Form gefunden.

passte das Instrument der Flöte. Mozart hat

Wir dürfen ja nicht vergessen, dass die Musik nicht

einmal geschrieben, dass es «ein Instrument

nur die Realität abbildet, die uns umgibt, sondern

ist, das ich nicht leiden kann».

immer auch eine Vision dessen ist, was die Menschen

Das ist, glaube ich, ein grosses musikhistorisches

erhoffen. Und das waren in Pleyels Zeit sicherlich

Missverständnis. Mozart hat das in einem Brief an

die Ruhe und die klare Form.

seinen Vater geschrieben, als er gerade den hollän­ dischen Arzt und Flötenspieler Ferdinand Dejean

Revolutionär war damals allerdings die Form

getroffen hatte, der bei ihm drei Konzerte und vier

des Solokonzerts ...

Quartette in Auftrag gegeben hatte. Aber Mozarts

Das ist richtig. Im Barock und in der frühen Klassik

Kompositionen waren dem Laien Dejean zu kompli­

war die Musik hauptsächlich vom Hof geprägt.

ziert, und er hatte Mozart gebeten, sie umzuarbei­

Auf den Programmen standen Ballette, Konzerte

ten. Darüber war Mozart wütend und machte seinem

und ­später, mit Gluck, auch die Oper. Aber das

Unmut über den Auftraggeber in seinem Brief Luft.

Solokonzert, in dem sich ein einziges Instrument

Aber dass er die Flöte hasste, glaube ich nicht, er war

mit dem Orchester unterhält, gab es nicht. Es ist

nur von seinem Auftraggeber frustriert.


FOKUS

11


Dennoch gehörte die Flöte nicht mehr zu den Modeinstrumenten der Zeit, oder? Tatsächlich waren Komponisten schon immer von den neuen Instrumenten und von den technischen Entwicklungen angetan, zu Mozarts Zeit also von der Klarinette mit ihrer Mechanik. Nach ihrer Blüte im

«Mozart hat immer wieder an den Rändern der Konvention gekratzt.»

Barock war die Flöte am Ende der Klassik tatsäch­ lich kein Modeinstrument mehr. Und dennoch hat ihr

den Mächtigen angelegt, musste gehen und hat sich eine

Mozart wunderschöne Musik gewidmet, beispielsweise

Zeit lang benommen, bis er wieder irgendwo aufmüpfig

das Andante C-Dur für Flöte und Orchester.

wurde. Mozart hat nicht nur die Spielräume der Musik, sondern auch jene seiner Zeit vollkommen ausgenutzt.

Welche Rolle spielte die Konvention bei Mozart?

Mozart hat die Form belebt: In seiner Musik erleben wir

Mozart war der Meister darin, in der Form der Klassik

eine Reinheit, eine Wahrhaftigkeit, eine Ehrlichkeit, die

die grösste Freiheit zu finden. Er hat immer wieder an

ihresgleichen sucht. Mozarts Musik ist deshalb so voll­

den Rändern der Konvention gekratzt, sie aber nie über­

kommen, weil sie mit der Form des Erwartbaren umgeht

schritten. Und so war er ja auch im Leben: Er hat sich mit

und uns gleichsam immer wieder überrascht.


FOKUS

13

­immer weiter entwickelt hat. Besonders begeistert mich die Tugend des Zuhörens im ZKO und die Ent­ wicklung unterschiedlicher Stilrichtungen. Gerade für die Werke von Pleyel und Mozart ist das ZKO ein idealer Partner, auf den ich mich unglaublich freue.  ab

E M M A N U E L PA H U D FR, 19. MAI 2017, 19.30 UHR, ZENTRUM PAUL KLEE, BERN SO, 21. MAI 2017, 16.00 UHR, SCHAUSPIELHAUS PFAUEN EMMANUEL PAHUD Flöte WILLI ZIMMERMANN Konzertmeister ZÜRCHER KAMMERORCHESTER PROGRAMM Ignaz Pleyel 1757 – 1831 16' Sinfonie D-Dur Ben. 126 Allegro assai | Andante | Minuetto. Allegretto  |  Finale. Rondo. Allegro

Sie treten nicht zum ersten Mal mit dem Z ürcher Kammerorchester auf. W ­ ­ elche Erinnerungen verbinden Sie mit diesem ­Orchester? Ich kenne das ZKO schon seit über 20 Jahren. Damals war ich jung und es fand ein Gedenkkonzert für ­u nseren verstorbenen Flötenlehrer André Jaunet statt, das von Edmond de Stoutz geleitet wurde. Das war mein erster Kontakt, und ich war schon damals begeistert von der Flexibilität des Orchesters. Für jemanden, der in einem Sinfonieorchester wie den Berliner Philharmonikern spielt, ist es immer wieder

KONZERTENDE Fr, 19. Mai 2017, Zentrum Paul Klee: ca. 21.30 Uhr

25'

So, 21. Mai 2017, Schauspielhaus Pfauen: ca. 18.00 Uhr

Pause 20'

ABO So, 21. Mai 2017, Schauspielhaus Pfauen: Grosses Abo

Wolfgang Amadeus Mozart 1756 – 1791 Andante C-Dur für Flöte und Orchester KV 315

EINZELKARTE Fr, 19. Mai 2017, Zentrum Paul Klee: Einheitspreis CHF 95

Ignaz Pleyel Flötenkonzert C-Dur Ben. 106 Allegro | Adagio | Rondo: Allegro molto

9'

Wolfgang Amadeus Mozart 25' Sinfonie Nr. 28 C-Dur KV 200 Allegro spiritoso | Andante |  Menuetto: Allegretto – Trio  |  Presto

So, 21. Mai 2017, Schauspielhaus Pfauen: CHF 105 / 95 / 82 / 58 / 40 / 16

aufregend zu sehen, wie flexibel Kammerorchester sind. Ich habe die Geschichte des ZKO verfolgt und finde es faszinierend, wie sich das Orchester unter den unterschiedlichen Dirigenten gewandelt und sich

Passion Chocolat Suisse 1852

Kooperations­ partner


In Zusammenarbeit mit:

S O, 1 1 . J U N I 2 0 1 7 , 1 4 . 3 0 U H R , PA R K I M G R Ü E N E , R Ü S C H L I KO N

PA R K KO N Z E RT Ein Open-Air-Anlass der besonderen Art für die ganze Familie: Unter freiem Himmel spielt das Zürcher Kammerorchester das Kinderkonzert «Das Traumfresserchen» sowie das Konzert «TANZ!». Beim beliebten Instrumentenparcours darf jeder selbst einmal über die Saiten streichen. Ersatztermin bei schlechter Witterung: S O, 2 5 . J U N I 2 0 1 7 www.parkimgruene.ch


D E R P U P P E N S P I E L E R T I T I R I T E RO

MANEGE FREI F Ü R T I T I R I T E RO DER KINDERZIRKUS ROBINSON UND DIE MUSIKER DES ZKO ENTFÜHREN IN EINE MÄRCHENHAFTE WELT DER MUSIK UND DER AKROBATIK.

Alles beginnt auf einem Marktplatz: Der Puppenspieler

der grossen Gefühle, der Gegensätze, der Naturereig­

Titiritero packt seine Marionetten aus und begeistert

nisse. Musik, die begeistert – und bewegt.

seine Zuschauer mit Witz, Charme und spannenden Erzählungen. Immer mehr Menschen kommen, um

Die Bewegung wird zum Leitmotiv der Vorstellung.

seine Geschichten anzuhören und seinen Figuren

Immer tiefer lockt Titiritero sein Publikum in die

zuzuschauen. Der Marktplatz verwandelt sich durch

magische Klangwelt und lässt seine Personage kniff­

Titiriteros Geschichten in einen Ort der Träume und

lige Aufgaben bestehen. Die jungen Akrobaten des

Sehnsüchte. Die Zuschauer werden in eine fantas­

Kinder­zirkus Robinson führen Kunststücke vor, welche

tische Welt entführt – in einen Wald aus Klängen,

Gross und Klein den Atem anhalten lassen: Da wird

­einen Wald der Jahreszeiten, in die geheimnisvolle

Hochrad gefahren, da werden akrobatische Sprünge

Welt der Puppen. Das Zürcher Kammerorchester

aufgeführt, da wird jongliert, am Trapez geturnt und auf

malt die Natur mit wunderschönen Tönen. Auf den

Seilen balanciert. Körper begeben sich in ungewohnte

Pulten der Musiker liegt unter anderem «Recomposed

Positionen, Kunststücke verzaubern die Menschen – und

by Max Richter: Vivaldi – The Four Seasons». Musik

die Geschichte von Titiritero schlägt alle in ihren Bann.

15


16

D E R P U P P E N S P I E L E R T I T I R I T E RO


D E R P U P P E N S P I E L E R T I T I R I T E RO

17

als zu Pop-Musik.» Für Kaspar ist die Akrobatik und das Geschichtenerzählen der ideale Zugang zur Welt der klassischen Musik. Spannend ist dieses Projekt aber auch für die Musiker des ZKO: Manchem Instrumentalisten fällt es bei den akrobatischen Einla­ gen schwer, mit den Augen auf den Noten zu bleiben. Vor den Auftritten wird im Zirkus-Trainingslokal in ­Zürich monatelang an den Tricks und Einlagen für «Titiritero» geprobt. Dabei greift der Kinder­zirkus ­Robinson als ältester Kinderzirkus der Schweiz nicht nur auf seine Erfahrung zurück, sondern stellt auch ­seine innovative und soziokulturelle Rolle unter ­Beweis. Die Kinder schulen in den abwechslungsreichen, pro­ fessionell geführten Kursen und Trainings nicht nur ihre physischen Fähigkeiten, sondern stärken darüber hinaus ihre Persönlichkeit und Sozial­kompetenz. Die Angebote stehen übrigens allen Kindern offen, die Freude an der Bewegung und am Zirkus haben. Und jeder, der zuschaut, wird sich mitbewegen wollen, in Titiriteros wunderbarer Klangwelt.  ab Bewegung, Geschichte und Musik verschmelzen zu einem grossen sinnlichen Ereignis. Die einmalige Kombination von Geschichte, Live-Musik und Akrobatik fasziniert das Publikum des ZKO nicht zum ersten Mal. 2015 fand die erste

K I N D E R KO N Z E RT « D E R P U P P E N S P I E L E R T I T I R I T E RO »

Zusammenarbeit zwischen ZKO und Kinderzirkus

S A , 1 . A P R I L 2 0 1 7 , 1 5 . 0 0 U H R , Z KO - H A U S

statt. Die Aufführung von «Colorín colorado» wurde

S O, 2 . A P R I L 2 0 1 7 , 1 1 U N D 1 5 U H R , Z KO - H A U S

zum gigantischen Erfolg. «Für uns war es eine Her­

S O, 2 3 . A P R I L 2 0 1 7 , 1 1 . 0 0 U H R , Z KO - H A U S

ausforderung, unsere Choreografie zu Live-Musik zu

S O, 1 4 . M A I 2 0 1 7 , 1 1 . 0 0 U H R , Z KO - H A U S

organisieren», sagt Claudia Kaspar vom Kinderzirkus Robinson. Am Ende begeisterten die 17 Kinder und

KINDERZIRKUS ROBINSON

Jugendlichen des Robinson-Varietés durch wunder­

EDOUARD MÄTZENER Violine

schöne Choreografien, Witz und Humor.

DONAT NUSSBAUMER Konzertmeister ZÜRCHER KAMMERORCHESTER

«Manchem Musiker fällt es bei den akrobatischen Einlagen schwer, mit den Augen auf den Noten zu bleiben.»

PROGRAMM Wenn der Puppenspieler Titiritero an den Fäden zieht, beginnen die Marionetten zu tanzen. Sie schlagen Räder und Salti, balancieren über Abgründe, entdecken die Welt aus der Vogelperspektive und treiben allerlei Schabernack. Titiritero führt ins Reich der Fantasie mit zauberhafter klassischer Musik und atemberaubender Artistik.

ALTER Für alle von 5 bis 99 Jahren KONZERTDAUER ca. 1 Stunde EINZELKARTE Erwachsene: CHF 34 Kinder bis 12 Jahre: CHF 15

«Es ist fantastisch zu sehen, was in dieser ausserge­ wöhnlichen Konstellation aus akrobatischen ­Kindern und passionierten Musikern passiert», erzählt ­Claudia Kaspar. «Für uns ist es besonders, mit einem Live-­ Orchester aufzutreten, und natürlich bewegen sich die Artisten zu klassischer Musik auch ganz anders

Passion Chocolat Suisse 1852 Unterstützt durch die Konzertvermittlung des Migros-Kulturprozent


18

WEISS DER KUCKUCK!?

«MÄRCHEN MUSS MAN LAUT ERZÄHLEN» DER SCHAUSPIELER KLAUS MARIA BRANDAUER WIRD MÄRCHEN LESEN, DIE DAS ZKO IN KLÄNGE ÜBERSETZT. EIN GESPRÄCH ÜBER EINE ALTE KUNST.

Klaus Maria Brandauer liegt viel daran, Jugendliche

musikalische Programm spannt sich dabei von der

zur Kunst zu bringen. «Umarmen Sie die Kinder»,

Musik aus dem Barock bis in unsere Gegenwart.

sagt er, «überraschen Sie die Kinder. Verführen Sie die Kinder. Sie sind das dankbarste Publikum, das

Für den Mimen sind Märchen eine hohe Form

man sich vorstellen kann.» Um die Grenze zwischen

menschlicher Kunst, weil sie uns nicht nur viel über

den Generationen in Klang und Wort zu über­

die Welt und die Moral erzählen, sondern auch

brücken, hat der grosse Schauspieler gemeinsam mit

über unsere Ängste, Sehnsüchte und T ­ räume. Ein

den Musikern des ZKO ein erzählerisches Programm

­Märchen hält Brandauer für nicht minder spannend

für Kinder und Erwachsene entwickelt. «Weiss der

als ein grosses Bühnenspiel von William ­Shakespeare.

Kuckuck!?» ist eine Art «Best of Märchen», ein

Im Interview spricht er über Mythen, Musik und

Vormittag mit spannenden Texten und Musik. Das

Generationen.


Konzert für die Kinderkrebsforschung

06. Juni 2017 um 19.30 Uhr Tonhalle Zürich, Grosser Saal

ts TickCeHF bei

5 25 –12 r.ch co r n e ticket illet tkasse lle B Tonha und Post S BB

Zürcher Kammerorchester ZKO und Kammerorchester Musikschule Konservatorium Zürich spielen gemeinsam unter der Leitung von Philip A. Draganov: Wolfgang Amadeus Mozart Ouvertüre zu «Le Nozze di Figaro» KV 492 Johannes Brahms Ungarische Tänze Pjotr I. Tschaikowsky Variationen über ein Rokoko-Thema Wolfgang Amadeus Mozart Klavierkonzert c-Moll KV 491 Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93

Teo Gheorghiu

Andrei Ioniță

Patronat Das Galakonzert wird unterstützt durch das Patronat von Bundesrat Alain Berset.

Zellen eines Weichteiltumors

Solisten des Abends: Teo Gheorghiu (Klavier), Andrei Ioniță (Cello)

Alle Einnahmen gehen zu Gunsten der Stiftung Kinderkrebsforschung Schweiz. Informationen zum Konzert und zur Stiftung unter www.kinderkrebsforschung.ch



WEISS DER KUCKUCK!?

Klaus Maria Brandauer, Märchen d ­ efinieren seit jeher die Moral der Menschen – sie wurden von Mund zu Mund weitergegeben, haben sich verändert und gelten doch als zeitlos. Welche Beziehung haben Sie zur Erzählform des Märchens? Ich glaube, in den Märchen werden die Urmythen

«Manches, was man als Kind nur wahrgenommen hat, wird man ein paar Jahre später verstehen.»

unserer Existenz umgeschlagen und sie bringen deshalb etwas tief in uns zum Klingen, von dem wir selber nicht so genau wissen, was es ist. Die romantische

miteinander. Märchen müssen laut erzählt werden,

Erinnerung an die eigene Kindheit ist immer nur ein

vor anderen, für andere, sonst passiert keine Verar­

Teil dieser Geschichte, da kommt noch viel hinzu an

beitung. Es kommt auch darauf an, wie ein Märchen

grundsätzlichen Dingen. Mich fasziniert die ungeheure

erzählt wird, denn eine grosse Stärke von Märchen

Kraft, die bei Märchen im Spiel ist. Es geht immer

liegt in der Wiederholung. Sie werden immer besser,

um alles, um die gesamte Existenz. Um das Leben,

je öfter man sie erzählt. Deshalb wollen Kinder ihre

die Liebe und den Tod, genau wie bei Shakespeare.

Lieblingsmärchen immer wieder hören.  ab

Und dieser lapidare Schlusssatz: «Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute» – das klingt so harmlos und versöhnlich, aber ist es das auch?

«Märchen bringen tief in uns etwas zum Klingen, von dem wir selber nicht so genau wissen, was es ist.» Was ist Ihnen bei der Konzeption dieses Programms besonders wichtig? Worum wird es in «Weiss der Kuckuck!?» gehen? Das wird noch nicht verraten, denn es handelt sich

K I N D E R KO N Z E RT « W E I S S D E R K U C K U C K ! ? » S O, 3 0 . A P R I L 2 0 1 7 , 1 1 . 0 0 U H R TO N H A L L E , G RO S S E R S A A L

um ein Überraschungspaket und zwar um eines, das sich an Kinder jeden Alters richtet. Also unabhängig

KLAUS MARIA BRANDAUER

davon, wie lange die eigene Geburt schon zurück­

WILLI ZIMMERMANN Konzertmeister

liegt, ob Jahre oder Jahrzehnte. Manches, was man

ZÜRCHER KAMMERORCHESTER

als Kind nur wahrgenommen hat, wird man ein paar Jahre später verstehen. Was einen früher erzürnt hat, wird ein Lächeln hervorrufen, im besten Fall über einen selber. Märchen, so sagen wir, sind für Kinder. Stimmt das überhaupt? Märchen sind gewiss nicht nur für Kinder da, sie sind genauso wichtig für den, der sie vorliest oder der sie erzählt. Im Märchenerzählen liegt eine Form der Selbstvergewisserung. Wir denken, es ist unsere

PROGRAMM «Weiss der Kuckuck, wie ich darauf gekommen bin. Aber die ­Geschichte fing einfach an und ging dann immer weiter und weiter. Deshalb muss ich sie erzählen. Und es wird nicht nur von allerlei gefiedertem Getier die Rede sein, also von Kuckucken, Störchen und Papageien, sondern auch von anderen Wesen, die fliegen können. Von Fledermäusen, von Engeln und von Drachen und von Flug­ zeugen vielleicht sogar auch.» Klaus Maria Brandauer

Fantasie, die da spriesst. Das stimmt sicher, aber es ist viel mehr, es ist das Unbewusste, welches sich Ausdruck verschafft. Das muss gar nicht immer tief verborgen sein. Durch das Erzählen teilen wir das

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Passion Chocolat Suisse 1852

ALTER Für alle von 5 bis 99 Jahren KONZERTENDE ca. 12.00 Uhr EINZELKARTE Erwachsene: CHF 39 / 29 Kinder bis 12 Jahre: CHF 15


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PIERRE-LAURENT AIMARD

EIN LICHTSTRAHL AUF DIE VERGANGENHEIT PIERRE-LAURENT AIMARD SPIELT NEBST BEETHOVENS BEKANNTER SONATE «APPASSIONATA» UND SCHUBERTS «FANTASIE»-SONATE IN G-DUR WERKE DES NEU­T ÖNERS GYÖRGY KURTÁG. EINMAL QUER DURCH DIE MUSIK­ GESCHICHTE ALSO. WIE VERGANGENHEIT UND GEGENWART AUFEINANDER EINWIRKEN, ­D ARÜBER SPRICHT DER PIANIST IM INTERVIEW.

Pierre-Laurent Aimard, was reizt Sie an der

War er ein Revolutionär oder ein Biedermann? Wie

Gegenüberstellung von älteren und neueren

stand er in seiner Gegenwart? Was wir dabei heraus­

Werken?

finden, beeinflusst die moderne Interpretation.

Um uns der aktuellen Situation, der gegenwär­ tigen Mode, bewusst zu werden, haben wir als

Sie reden von den Komponisten als Schöpfer.

­Musiker die wunderbare Möglichkeit, auf die ver­

Aber ist der Interpret nicht selbst auch ein

gangenen Moden zu schauen – sie sind das Fixum,

Schöpfer, der die Partitur durch sein Spiel

der ­ O rientierungspunkt unserer eigenen Welt­

erst zum Leben erweckt?

wahrnehmung. Wir können einen Ausblickspunkt

Als Interpreten bilden wir ein nicht unwichtiges

einnehmen, der sich bewegt, und von dem aus wir im­

­Element in der historischen Kette. Wir beschäftigen

mer wieder neu auf die Schöpfungen der ­Geschichte

uns mit Kunstwerken und musikalischen Strukturen,

schauen können, um uns selbst zu erkennen.

die irgendjemand irgendwann einmal aus dem Geist seiner Zeit heraus erfunden hat. Daraus dürfen wir

Gibt es so etwas wie einen modernen Klang also

aber keine wissenschaftliche Hierarchie machen. Wir

nur in Abhängigkeit von der Vergangenheit?

sollten w ­ eder demütig vor dem Komponisten knien

Wenn es so etwas wie einen modernen Klang

noch uns der Arroganz des Interpreten hingeben.

gibt, dann entsteht er kurzfristig im Moment des

Letztlich beleben wir die abstrakt fixierten Momente

­Musizierens und nur daraus, dass wir das Jetzt mit

der Geschichte, die Partituren, einfach nur physisch

dem Vergangenen abgleichen.

mit Klängen. Dabei müssen wir uns wohl oder übel

«Musiker sollten eine Haltung einnehmen: zum Barock, zur Romantik, zum Jetzt.»

mit der dazwischenliegenden Zeitdimension beschäf­ tigen. Musiker sollten eine Haltung einnehmen: eine Haltung zum Barock, zur Romantik und zur neutönen­ den Kunst, und dadurch auch eine Haltung zum Jetzt. Sie haben mit Ligeti, Messiaen, Boulez und Stockhausen zusammengearbeitet; Kurtág hat sein Werk «Passio sine nomine» für seine

Das heisst, Sie sind als Musiker eigentlich ein

Frau und für Sie komponiert. Fällt es leichter,

Historiker, der die Vergangenheit nach den

diese aktuelle Musik zu interpretieren, weil

heute wichtigen Parametern befragt?

sie sowieso aus unserer Zeit kommt und die

Es ist unsere Aufgabe, eine Verbindung mit dem

historische Zeitachse damit wegfällt?

Schöpfer, also dem Komponisten, aufzunehmen.

Wir leben immer mit der Notwendigkeit,

Und dazu müssen wir erst einmal nach der Mode des

u nsere e­igene Identität im Übereinanderlegen ­

Schöpfers fragen, nach seiner Haltung in seiner Zeit:

von ­ G egenwart und Vergangenheit zu finden.




PIERRE-LAURENT AIMARD

25

Erst in dieser D ­ imension wird unsere Identität reich. Es ist klar, dass wir uns mit Napoleons Feldzügen anders ­beschäftigen als mit Ereignissen, die wir am Frühstückstisch in der Zeitung lesen. So ist das auch in der Musik. In der Alten Musik haben wir den Kontakt mit der Entstehungszeit oft verloren, deshalb ist es hier sehr modern geworden, sich wieder mit den Quellen zu beschäftigen. In der zeitgenössischen Musik gibt es keine Interpretationsgeschichte, mit der wir uns ­herumschlagen müssen. Das hat den Vorteil, dass wir bei Komponisten wie Kurtág noch keine musikalischen Mythologien zu bekämpfen haben, wie sie sich bei Schumann oder Beethoven manifestiert haben. Hören wir am Ende auch Schumann oder Beethoven anders, wenn wir vorher Ligeti, Stockhausen und Kurtág gehört haben? Sie wollen wissen, ob so etwas wie eine nachträgliche Einflussnahme auf das Vergangene durch die Gegen­

­Inkonsequenz vor, sondern als nachvollziehbare Kunst­

wart möglich ist? Natürlich! Klar ist es absurd, zu

werke, die auf eine Welt und ihre Moden verweisen.

­behaupten, dass Gegenwartskünstler einen Schumann

Auf eine Welt, die auch jenseits der Musik und seiner

beeinflusst haben, das ist historisch nicht möglich,

Zeit liegt.  ab

aber sie beeinflussen uns in unserem Hören. Gegen­ wartskünstler beleuchten in ihren eigenen Komposi­ tionen die Texturen der Klassiker aus der Gegenwart wie mit einer Taschenlampe. Ein Beispiel: Debussy war mit Sicherheit ein Prophet der Klangfarben, aber ist uns durch ihn nicht erst die ganze Grösse Chopins

PIERRE-LAURENT AIMARD

bewusst geworden? Historisch hat sich Chopin als

DI, 23. MAI 2017, 19.30 UHR, TONHALLE, GROSSER SAAL

Übervater Debussys herausgestellt, der das freie Spiel der Obertöne und das musikalische Fliessen erfunden hat. Und wenn wir dann auf Ligeti schauen, wird uns das historische Netzwerk vollends deutlich – durch ihn begreifen wir die Pioniere Debussy und Chopin noch einmal anders.

«Gegenwartskünstler beeinflussen, wie wir die Klassiker hören.»

PIERRE-LAURENT AIMARD Klavier PROGRAMM Franz Schubert 1797 – 1828 Klaviersonate Nr. 18 G-Dur op. 78 D. 894 Molto moderato e cantabile  |  Andante | Menuetto: Allegro moderato | Allegretto

KONZERTENDE ca. 21.30 Uhr 40'

György Kurtág * 1926 15' «Passio sine nomine» und andere Pause 20'

Das heisst, Gegenwartskünstler verändern durch die Beleuchtung der Klassiker die Vergangenheit. Ja, und dann sind wir auch wieder bei der Mode an­ gekommen. Schumann beispielsweise war ein hoch­

Ludwig van Beethoven 1770 – 1827 32' Klaviersonate Nr. 23 f-Moll op. 57 «Appassionata» Allegro assai  |  Andante con moto  |  Allegro ma non troppo

moderner Komponist. Gerade heute ist die doppelte Rede in seinen Werken, sind die radikalen Wendun­ gen und Brüche wieder sehr modern. Schumanns Werke ­kommen uns nicht mehr als komponierte

Passion Chocolat Suisse 1852

ABO Meisterzyklus-Abo, Piano-Abo EINZELKARTE CHF 105 / 95 / 82 / 58 / 40 / 16


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SHAKESPEARES STURM

«DAS GEMEINSAME ATMEN IST DAS WICHTIGSTE» GEMEINSAM MIT DEM ZKO WIRD DER SCHAUSPIELER KLAUS MARIA BRANDAUER SHAKESPEARES «STURM» INTERPRETIEREN – UND DABEI MUSIK UND WORT ALS EINHEIT PRÄSENTIEREN.

«Wir sind aus solchem Stoff, wie Träume sind, und unser kleines Leben ist von einem Schlaf umringt.» P RO S P E RO, « D E R S T U R M » , 4 . AU F Z U G , 1 . S Z E N E

Klaus Maria Brandauer, im «Sturm» geht es unter anderem um Macht und um den Umgang des Menschen mit ihr. Das Thema scheint in unserer Zeit aktuell wie nie. Was können Politiker heute von Prospero lernen? Demut – selbst Prospero, dem Weisheit und magische Kräfte zu Gebote stehen, hat nur einen begrenzten Einfluss auf den Lauf der Dinge. Am Ende fügt sich zwar alles, aber der Weg dahin ist nicht immer ein­ fach. Shakespeare hat mit Prospero eine Idealfigur

Shakespeare-Forscher gehen davon aus, dass es sich

mit menschlichen Zügen geschaffen. Das macht zwar

beim «Sturm» um das letzte Stück handelt, das der

alle seine Figuren aus, aber bei Prospero ist das noch­

Meister aus dem englischen Stratford geschrieben

mals deutlicher.

hat. Bis heute wird spekuliert, dass es sich bei der Hauptfigur, dem Zauberer Prospero, um eine Art Selbstporträt des Dichters handelt, der sich Gedan­ ken über den eigenen Tod macht und sich mit dem Schwund seiner kreativen Macht abfinden muss. Shakespeares Geschichte spielt auf einer entlegenen

«Shakespeare bewältigt seine Stoffe, das zeichnet ihn vor allen anderen aus.»

­Insel, auf der Prospero im Exil lebt und Pläne schmie­ det, seine Tochter Miranda zurück an die Macht zu

Shakespeares Werke überdauern jede Zeit

bringen. Mithilfe magischer Kräfte beschwört er jenen

– und sind Inspiration für viele Musiker

Sturm herauf, der dem Werk den Namen gibt – und mit

­geworden. Ist Shakespeare nicht selber schon

dem die Dinge ihren Lauf nehmen.

Musik? Was kann die Musik seinen Werken geben, was die Sprache allein nicht schafft?

Seit jeher haben Shakespeares Bühnenstücke grosse

Shakespeares Werke gehören für mich zu den

Musiker inspiriert: Felix Mendelssohn zum «Sommer­

Grundpfeilern unserer Zivilisation. Sie sind aus

nachtstraum», Giuseppe Verdi zu Opern wie «Otello»,

sich selber heraus gültig und eigentlich schon viel

und Pjotr Iljitsch Tschaikowsky vertonte «Romeo und

zu komplett, als dass sie als Textvorlagen für eine

Julia». Wenn Klaus Maria Brandauer nun Teile aus

Oper ge­eignet wären. Es gibt bei Shakespeare zu

Shakespeares «Sturm» in der Tonhalle lesen wird, wer­

wenige o ­ ffene F ­ ragen, die man in virtuosen A ­ rien

den die ZKO-Musiker und Daniel Hope hauptsächlich

musikalisch durchdeklinieren könnte. Die ­sieben

Werke von Wolfgang Amadeus Mozart auf den Pulten

Monologe im Hamlet verhandeln alles schon sehr

liegen haben. Für Klaus M ­ aria Brandauer ist dieses

umfassend, man könnte auch sagen erschöpfend.

Konzert das letzte Projekt als Artist in Residence des

Shakespeare bewältigt seine Stoffe, das zeich­

Zürcher Kammerorchesters. Dabei möchte er einmal

net ihn vor allen anderen aus. Da müssen einfach

mehr Klang und Wort miteinander verbinden.

­keine Gedanken in Musik weitergesponnen werden.



TONHALLE ZÜRICH, GROSSER SAAL Donnerstag, 20. April 2017, 19.30 Uhr

Sonntag, 9. Juli 2017, 19.30 Uhr

Tschaikowsky Sinfonieorchester Moskau Vladimir Fedoseyev, Leitung

Orpheum Supporters Orchestra Howard Griffiths, Leitung

Tschaikowsky

Nielsen Aladdin Suite

«Francesca da Rimini»

Grieg Klavierkonzert a-Moll Solist: Nikolay Khozyainov

Violinkonzert D-Dur Solist: Jan Mráˇcek Klavierkonzert Nr. 1 b-Moll Solistin: Mélodie Zhao

Saint-Saëns Introduction et Rondo Capriccioso Solistin: Bomsori Kim Rimskij-Korsakow Capriccio espagnol Letztes Orchesterkonzert in der Tonhalle vor der Renovation

Vorverkauf Billettkasse Tonhalle Zürich, Telefon 044 206 34 34, www.tonhalle.ch Jelmoli City, Musik Hug

Veranstalter Orpheum Stiftung zur Förderung junger Solisten, in Zusammenarbeit mit der Tonhalle-Gesellschaft Zürich www.orpheum.ch


SHAKESPEARES STURM

Auch der «Sommernachtstraum» funktioniert ohne

Sparten, es geht darum, verbunden zu sein. Nur dann

die Musik von Mendelssohn ganz wunderbar. All

ist man auch interessant für das Publikum, und das

das spricht aber nicht dagegen, Text und Musik

erste ­G ebot für alle, die auf einer Bühne stehen,

­zusammenzubringen.

heisst ja: Du darfst nicht langweilen!  ab

«Die Schauspieler müssen musizieren und die Musiker sprechen.»

SHAKESPEARES STURM SA, 24. JUNI 2017, 19.30 UHR, TONHALLE, GROSSER SAAL

Sie arbeiten regelmässig mit Daniel Hope und

KLAUS MARIA BRANDAUER

dem ZKO zusammen, in der Saison 2016/17

DANIEL HOPE Violine

gar als Artist in Residence. Einige Projekte

WILLI ZIMMERMANN Konzertmeister

sind bereits über die Bühne gegangen – was

ZÜRCHER KAMMERORCHESTER

lernt ein Schauspieler aus der Zusammen­ arbeit mit Musikern? Das gemeinsame Atmen ist das Wichtigste. Wenn man nicht dran ist, heisst das keinesfalls, dass man Pause hat. Ich bin sehr gern dabei, wenn Musik im Spiel ist und mache das immer wieder. Die

PROGRAMM Texte ausgehend von William Shakespeares «Sturm», Werke von Wolfgang Amadeus Mozart KONZERTENDE ca. 21.30 Uhr

­S chauspieler müssen musizieren und die Musiker sprechen, wenn das gelingt, dann kommen wir zum ­G esamtkunstwerk und dann wird es gut. Was mir immer vorschwebt, ist eine Gleichberechtigung der

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Passion Chocolat Suisse 1852

ABO Grosses Abo, Kleines Abo EINZELKARTE CHF 105 / 95 / 82 / 58 / 40 / 16


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KIND UND KEGEL

G RO S S E T Ö N E F Ü R D I E K L E I N E N NUGGI-KONZERT (0 – 1 Jahre) S O, 7 . M A I 2 0 1 7 , 1 4 U N D 1 6 U H R , Z KO - H A U S Kurt Meier Oboe, Asa Konishi Jankowska Violine Arlette Meier-Hock Violine, Hiroko Takehara Strahm Viola, Silvia Rohner Geiser Violoncello Werke von Spohr, Ravel, J. Chr. Bach und Mozart

ROBINSON HASE Purzel-Konzert (3 – 5 Jahre) S A , 1 3 . M A I 2 0 1 7 , 1 1  /  1 4  /  1 6 U H R , Z KO - H A U S Markus Buehlmann Konzept und Erzählung DIE RIESENGROSSE RÜBE

Musikerinnen und Musiker des ZKO

Krabbel-Konzert (1 – 3 Jahre)

Eines Tages packt der Hase Robinson seine Siebensachen in

S O, 9 . A P R I L 2 0 1 7 , 1 1  /  1 6 U H R , 1 4 . 0 0 U H R ( E N G L . ) ,

einen Sack und verlässt sein unfreundliches Elternhaus. Er lässt

Z KO - H A U S

sich auf einem Segelschiff anheuern und entgeht dort nur knapp einem Piratenüberfall. Mit letzter Kraft rettet er sich auf eine

Thomas Douglas Konzept und Erzählung

kleine Insel. Dort beginnt er ein neues Leben – zusammen

Musikerinnen und Musiker des ZKO

mit seinem Gefährten, einem wilden schwarzen Hasen. Das

Eine alte Frau und ein alter Mann leben zusammen in einem alten

­hätte immer so bleiben können. Doch dann legt eines Tages ein

Häuschen mit einem grossen Garten. Es kommt die Zeit, in der

­Handelsschiff an und nimmt den kleinen Hasen mit …

sie das Gemüse ernten. Bald ist nur noch eine einzige Rübe übrig. Sie ist ziemlich gross, ja riesig – und lässt sich einfach nicht aus dem Boden ziehen. Nun müssen alle Bauernhof-Tiere mithelfen …

Konzertdauer jeweils ca. 45 Minuten. Bestellen Sie unsere Kinderbroschüre: www.zko.ch oder Tel. 044 388 36 00


Z KO I N S I D E

Z KO I N S I D E

SANDRA GOLDBERG VOR 32 JAHREN BESTAND SIE DAS PROBESPIEL, NUN GEHT SANDRA GOLDBERG IN PENSION. DIE VIOLINISTIN ERINNERT SICH AN GROSSE KONZERTABENDE, AN UNTERSCHIEDLICHE DIRIGENTEN – UND AN LACHANFÄLLE.

Wie sind Sie als Amerikanerin 1985 zum ZKO gekommen? Ein Jahr nach dem Meisterkurs von Nathan Milstein war ich wieder in ­Zürich zu Besuch bei einer Freundin, die mich für das Probespiel a­ nmeldete. Auf dem Weg zum Vorspiel verirrte ich mich. Rudolf am Bach, der uns am Klavier begleitete, gabelte mich auf der Strasse auf und brachte mich an den richtigen Ort. Dank ihm (und der Chaconne von J.S. Bach) bekam ich die Stelle als Dritte Soloviolinistin. Seither sind viele Jahre vergangen. Was ist Ihnen am stärksten in Erinnerung? Besonders war, im gleichen Programm wie Maurice André in der Tonhalle ein Solo spielen zu dürfen. Auch unsere erste Chinareise mit den Banketten und den Musikern aus Kunming werde ich nicht vergessen. Genauso wenig die vielen lustigen Momente: Einmal veranstalteten wir im Flugzeug eine Kissenschlacht, ein anderes Mal eine Schneeballschlacht in einem Stau. Und da gab es diese Modenschau in der Tonhalle: Mit Musik von Elgar begleiteten wir ein Model mit einer besonders exzentrischen Frisur – mein Pultnachbar und ich konnten nicht mehr mit dem Lachen aufhören. Wie hat sich das Orchester in den drei Jahrzehnten gewandelt? Die Proberoutine hat sich verändert. Edmond de Stoutz wollte, dass wir die Werke wirklich kennenlernen. Wir hatten viele und regelmässige Proben, dabei aber wenig Disziplin; Zuspätkommen war völlig normal. Heute gibt es weniger Proben und kürzere Pausen – wir müssen konzentrierter arbeiten. Wie entwickelte sich der Orchesterklang? Unter Edmond de Stoutz spielten wir mit einem schönen, massigen Klang. Er dirigierte voller Freude, war ein Lebensgeniesser der alten Schule. Howard Griffiths verlangte einen durchsichtigen Klang. Bei Muhai Tang musste alles gross und farbig sein. Mit Sir Roger wurde der Klang wieder durchsichtig, vibratoarm und sehr raffiniert. In der Zeit ohne Dirigenten trat unter Willi Zimmermanns Leitung das Kammermusikalische stärker hervor. Daniel Hope empfinde ich als sehr dynamisch. Er bringt seinen warmen, süssen Klang mit. Nach vielen Dirigenten haben wir vor allem eines gelernt: flexibel zu sein. Haben Sie bereits Pläne für die Pensionszeit? Ich freue mich sehr darauf, mich stärker aufs Komponieren zu konzen­ trieren. Bis Ende Mai geniesse ich aber noch jedes Konzert mit dem ZKO. Ich erlebe meine letzte Saison besonders intensiv.  sp

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32

Z KO A K T U E L L

B E AT R I C E R A N A , K Ö L N

A RT O N I C E

O P E R A B OX

Z KO A K T U E L L

W I E K L A S S I K E I N S TA D I O N F Ü L LT UND LIEBESGESCHICHTEN SCHREIBT auf einer kleineren Bühne, die sich mitten

Violetta Radomirska und der Tenor D ­ avid

auf dem Eisfeld bewegte. Mit dem Song

Margulis wurden für ihr Liebesduett

«Thunder» der Band N ­ uttin’ But Stringz

ebenso gelobt wie Erich Bieri für seinen

zeigten die beiden Streicherinnen, dass

mit «Tyrannenwut» kombinierten «Play­

sich Klassik und Hip-Hop perfekt verbin­

boy-Charme» oder Cheyne Davidson für

den lassen. Vor allem beim ersten Auf­

die Verkörperung eines Mannes am Rande

tritt vor rund 10 000 Besuchern war die

des Nervenzusammenbruchs. «Oper ist

Aufregung gross. Aber: «Es war ein tolles

hier keine elitäre, abgehobene Kunst­

Gefühl, so nahe bei den Eiskunstläufern

gattung, sondern ein komödiantisches

zu sein», sagt Anna Tchinaeva, «denn

Sprechtheater mit Musiknummern»,

Anfang 2017 spielte das Zürcher Kammer­

ich liebe Eiskunstlauf seit ich ein kleines

resümierte Radio SRF 2 Kultur.

orchester gleich an zwei Grossveran­

Kind bin.»

staltungen im Zürcher Hallenstadion: am

BERÜHRENDE TÖNE

15. Januar zusammen mit dem italienischen

Ein weiteres Winter-Highlight war die

Medial grossen Zuspruch ­erreichte das

Tenor Andrea Bocelli, und Anfang Februar

Opera Box, welche über den Jahres­

ZKO auch aus dem Ausland, und zwar auf das

bei «Art on Ice». An der Eislauf-Gala

wechsel im ZKO-Haus stattfand. Paul

Konzert mit M ­ enahem Pressler am 6. Januar

präsentierte das Zürcher Kammerorchester

Suters Inszenierung von Rossinis Oper

im P ­ rinzregententheater in München.

grosse Werke der M ­ usikgeschichte, zu

«Il ­Signor Bruschino» erntete viel Beifall.

Der 93-jährige Pianist brachte «Mozarts

denen die Eiskunstläufer durch die Luft

«Paul Suter (…) lässt sich nicht zweimal

­sanguinischen Tonfall zu innerem Leuch­

wirbelten. Die Violinistin Anna T ­ chinaeva

bitten, wenn es um szenische Fantasie

ten», schrieb Klaus P. Richter in der

­hatte zusammen mit der Bratschistin Janka

geht», schrieb Herbert Büttiker in der

­S üddeutschen Zeitung. Laut Gabriele

Szomor-Mekis einen besonderen Auftritt

­Zürichsee-Zeitung. Die Mezzosopranistin

Luster vom Münchner Merkur «sorgte


Z KO A K T U E L L

O P E R A B OX

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M E N A H E M P R E S S L E R U N D DA N I E L H O P E

K A M M E R M U S I K   @   Z KO

der heitere Menahem Pressler für viele

Geiger Henryk Szeryng mit dem ­Zürcher

feuchte Augen – während der Zugaben

Kammerorchester unter der Leitung von

sogar bei seinen musikalischen Mitstrei­

Edmond de Stoutz spielte. Warum wir das

S O, 7 . M A I 2 0 1 7 ,

tern». Das ZKO überzeugte seinerseits mit

heute noch so genau wissen? Durch eine

1 1 . 0 0 U H R , Z KO - H A U S

einem «inneren Esprit, wie man ihn selten

schöne Begegnung mit einer damaligen

bei Ensembles erlebt» (­Süddeutsche Zei­

Konzertbesucherin – Gabriele Kesser.

KURT MEIER Oboe

tung). Nach einem ebenso wunderbaren

Sie erzählte uns, wie sie das Konzert mit

ASA KONISHI JANKOWSKA Violine

Konzert mit der Pianistin Beatrice Rana

­ihrem späteren Partner besucht hatte – es

ARLETTE MEIER-HOCK Violine

am 12. Februar in Köln freuen wir uns nun

war ihre erste offizielle Verabredung. An

HIROKO TAKEHARA STRAHM Viola

auf die Auftritte mit Arabella Steinbacher

das musikalische Programm selbst kann

SILVIA ROHNER GEISER Violoncello

im Kurhaus Wiesbaden (7. April) und

sie sich nicht mehr erinnern, «aber auf

Rosengarten Mannheim (8. April).

jeden Fall sprühten die Funken, denn von da an waren wir immer zusammen». 47 Jahre lang, bis ihr Mann im Sommer 2016 starb. Kurz nach seinem Tod fiel Gabriele Kesser das Billett von 1969 ­wieder in die Hände, Erinnerungen tauch­ ten auf, und Gabriele Kesser beschloss, dem ZKO einen grosszügigen Betrag zu spenden – im Gedenken an ihren Mann, den die klassische Musik bis zum Schluss begleitet hatte, und «weil man Musiker fördern sollte». Für ihre jahrzehntelange Verbundenheit und ihre Grosszügigkeit

GESCHICHTE UM EIN TICKET

möchten wir uns bei Gabriele Kesser

10.55 Franken inklusive Billettsteuer

herzlich bedanken.  sp

von einem Franken – so viel kostete am 24. September 1969 ein Platz in der sechsten Reihe der Tonhalle, wo an diesem Abend der

PROGRAMM Louis Spohr 1784 – 1859 9' Andante con Variazioni für Oboe und Streichquartett Maurice Ravel 1875 – 1937 Pavane pour une infante défunte, arr. für Englischhorn und Streichquartett Johann Christian Bach 1735 – 1782 Streichquartett B-Dur B. 60 Allegro | Rondo: Grazioso

7'

11'

Wolfgang Amadeus Mozart 1756 – 1791 20' Quintett B-Dur für Oboe und Streichquartett KV 361 Largo | Molto Allegro | Menuetto |  Adagio | Allegro KONZERTENDE ca. 12.00 Uhr


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K Ö N N E R B R AU C H E N G Ö N N E R DIE ZKO FREUNDE BEREICHERN DAS ZÜRCHER KAMMERORCHESTER – MIT FINANZIELLEN MITTELN GENAUSO WIE MIT PERSÖNLICHEN BEGEGNUNGEN.

«Die Gesellschaft der Freunde des Zürcher

Gesellschaft für den Fortbestand und die Entwick­

­Kammerorchesters ist ein Verein ohne wirtschaftli­

lung unseres ZKO hat.

chen Zweck gemäss Art. 60 ff. des ZGB mit Sitz in Zürich. Sie bezweckt, die künstlerische Tätigkeit des

Die ZKO-Violinistin Sandra Goldberg weist auf einen

Zürcher Kammerorchesters zu fördern.» Genau das

anderen Wirkungsaspekt der ZKO Freunde hin, wenn

tut die Gesellschaft seit ihrer Gründung erfolgreich

sie schreibt: «Es ist für mich immer etwas Schönes, wenn

und das lässt sich sowohl an den harten wie auch an

mich nach einem Konzert bei der Heimfahrt im Tram

den weichen Faktoren messen.

ZKO Freunde, voller Freude und Begeisterung vom Konzert kommend, ansprechen. Sie kennen mich ja

Zuerst das Geld: Für Roberto Lehner, den

seit 32 Jahren von der Bühne her; ich hingegen kenne

­Finanzdirektor des ZKO, ist der jährliche Zuschuss

sie nicht. So erfahre ich, dass ich jemanden mit mei­

substanziell. Immerhin stellen die Freunde dem

nem Musizieren berührt habe und so habe ich auch

ZKO fast dreimal so viele Mittel zur Verfügung wie

schon neue Freundschaften geschlossen.» Auch Frauke

die Stadt Zürich, und die jährlich gesprochenen

Tometten Molino ist der persönliche Kontakt zu den

CHF 400 000 entsprechen ca. 5 % des Gesamt­

ZKO Freunden wichtig: «Es geht um mehr als nur ein

budgets. Mit diesen Mitteln können beispielsweise

schönes musikalisches Erlebnis. Die zahlreichen Pro­

alle ­Musiker, die als Zuzüger das Orchester verstär­

benbesuche, die After-Concert-Lounges und selbst die

ken, bezahlt werden, und ohne den Zuschuss könnte

Generalversammlung schaffen Gelegenheiten, uns zu

nur die Hälfte aller Gastsolisten und Dirigenten ver­

begegnen und über Gespräche Freundschaften entste­

pflichtet werden. Eine Saison ohne Sir Roger, ohne

hen zu lassen. Das Feedback eines Freundes nach einem

Fazil Say und Francesco Piemontesi? Das zeigt die

Konzert berührt und spornt doch viel mehr an als das

Bedeutung, aber auch die Verantwortung, die unsere

eines anonymen Publikums!»


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VO M A M AT E U R S O L I S T E N - O R C H E S T E R Z U M Z KO - F R E U N D E - O R C H E S T E R Wie in Opus II berichtet, führt Willi Zimmermann

Dr. Bernhard Wagmann Violinstunden und Kammer­

die Amateurkonzerte als ZKO-Freunde-Orchester

musik-Coachings zu geben, und wir durften mehrere

weiter. Dies stösst auch bei den ZKO-­Musikerinnen

Hauskonzerte bei Maria und Hans Rickenbacher und

und -Musikern auf Begeisterung. Die Amateur­

auch bei Heide Bregenzer spielen.»

konzerte waren immer interessant, hebt S ­ andra G oldberg hervor. «Dies nicht nur wegen des ­

Goethe lies in seinem «Faust» den Direktor sagen:

talentierten Nachwuchses, sondern auch wegen der

«Der Worte sind genug gewechselt, lass mich end­

enthusiastischen Amateure, die mit Herz und Seele

lich Taten sehn. Indes ihr Komplimente drechselt,

alles ­gegeben haben. Besonders in Erinnerung ge­

kann etwas Nützliches geschehen.» Ganz in diesem

blieben ist Margaretha Segesser, die immer schöne,

Sinne freuen wir uns, dass das nächste Konzert des

­traurige Arien gesungen hat. Auch Xavier Bregenzer,

ZKO-Freunde-Orchesters am Freitag, 15. September

ehemaliger Präsident der ZKO Freunde, der gern

2017, stattfindet. Die ersten Anmeldungen sind schon

mit uns Klavierkonzerte gespielt hat. Ich hatte das

bei Gisela Stäheli eingetroffen; das offizielle Anmel­

Vergnügen, Leuten wie Dr. Siegfried Gablinger und

deformular folgt noch per Post.  pm

V E R A N S TA LT U N G E N F Ü R Z KO F R E U N D E D I , 2 1 . M Ä R Z 2 0 1 7 , 1 5 . 3 0 U H R , Z KO - H A U S

D O, 1 8 . M A I 2 0 1 7 , 1 5 . 3 0 U H R , Z KO - H A U S

ARBEITSPROBE –

ARBEITSPROBE –

ÖFFENTLICH FÜR ZKO FREUNDE

ÖFFENTLICH FÜR ZKO FREUNDE

Renaud Capuçon Violine und Leitung

Emmanuel Pahud Flöte

Zürcher Kammerorchester

Willi Zimmermann Konzertmeister

Werke von Mozart, Schumann und Tschaikowsky

Zürcher Kammerorchester Werke von Pleyel und Mozart Einführung um 15.00 Uhr Anmeldung notwendig, Einladung folgt schriftlich

Mitglied werden / Informationen: Sekretariat GFZKO, Gisela Stäheli, Tel. 044 388 36 12, www.gfzko.ch


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KO L U M N E

KO L U M N E VO N DA N I E L H O P E

HÖREN SIE MAL ZU Unsere Zeit ist aufgeladen wie selten. Immer radikalere Meinungen treffen auf immer radikalere Gegenmeinungen. Wir drohen, die Grundlage des Miteinanders, der Freundschaft, des Austauschs zu verlieren – das gegen­ seitige Zuhören. In den Zeitungen wird viel über sogenannte «Echoräume» geschrieben, darüber, dass wir in unseren sozialen Netzwerken nur noch hören, was wir hören wollen, und das ist in der Regel unsere eigene Mei­ nung. In der Musik können wir mit derartigen, hermetischen Räumen wenig anfangen. Bei uns dreht sich alles ums Zuhören, um das Reagieren auf den anderen, darum, gemeinsam einen Klang zu finden, auch die Misstöne zu hören, um sie zu verarbeiten, zu variieren, in andere Richtungen und Harmonien zu ordnen.

«Nur wer zuhört, kann verstehen, und nur wer versteht, kann auch verändern.» In den kommenden Wochen tun wir dies mit vielen wunderbaren Künst­ lern, die mir persönlich sehr viel bedeuten. Ich freue mich auf den wun­ derbaren Flötisten Emmanuel Pahud, der auf geniale Weise politische und gesellschaftliche Zusammenhänge in der Musik aufgreift und sich in seinen Alben mal dem Klang der Revolution, mal dem Soundtrack am Hofe Friedrich des Grossen widmet. Auch den Auftritt von Pierre-Laurent Aimard kann ich kaum erwarten. Der Pianist ist nicht nur Freund vieler Gegenwartskomponisten, sondern baut in seinen Interpretationen auch Freundschaft zu Beethoven, Bach oder Schumann auf. Und schliesslich wäre da der Schauspieler Klaus Maria Brandauer, der es geniesst, sich von der Musik für sein Sprechen inspirieren zu lassen, so wie ich es geniesse, mich von seinem Reden für den Klang inspirieren zu lassen. Das Programm des ZKO in diesen Wochen soll Ihnen das Zuhören leicht machen, es glaubt an die Debatte, das gemeinsame, offene und unvorein­ genommene Musizieren mit unseren Freunden. Gerade in unserer zuwei­ len so aufgeheizten Zeit sind diese Tugenden unglaublich wichtig. Nur wer zuhört, kann verstehen, und nur wer versteht, kann auch verändern. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen spannende und abwechslungsreiche Hörerlebnisse mit dem Zürcher Kammerorchester.


Lesen klingt gut.

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VORSCHAU

A B S O F O R T S P I E LT D I E M U S I K I M P FAU E N . K l a s sik b le ib t im H e r ze n von Zür ic h . B e suc he n S ie un se re Konze r t e im S c h au s pie lh au s .


VOR SC H AU S A I S O N 2 0 17   /   18

IMPRESSUM HERAUSGEBER Zürcher Kammerorchester Seefeldstrasse 305, 8008 Zürich Telefon: 044 388 36 00 REDAKTION Simone Pflüger, Daniela Wachter, Philipp Ernst

FREUEN SIE SICH AUF:

ANOUSHKA SHANKAR MENAHEM PRESSLER RADU LUPU ISABELLE FAUST VESSELINA KASAROVA SIR ROGER NORRINGTON UND VIELE MEHR …

Unser neues Saisonprogramm steht ab Mai 2017 zur Verfügung. Der Kartenverkauf startet am 1. Juni 2017 auf www.zko.ch.

AUTOREN Axel Brüggemann ab, Michael Bühler, Daniel Hope, Peter Marschel pm, Simone Pflüger sp FOTOGRAFIE Emmanuel Pahud (Cover, S. 5, S. 8, S. 11): Fabien Monthubert Emmanuel Pahud (S. 12): Josef Fischnaller Michael Bühler (S. 3), Orchesterbild (S. 4), Hiroko Takehara Strahm (S. 6), Sandra Goldberg (S. 31), Opera Box (S. 32, S. 33), Probenbesuch (S. 34), Daniel Hope (S. 36): Thomas Entzeroth Kinderzirkus Robinson (S. 5, S. 16 oben): Catherine Vitte Kinderzirkus Robinson (S. 16 unten, S. 17): Wilton Torquato Klaus Maria Brandauer (S. 5, S. 20, S. 27): Christof Mattes Pierre-Laurent Aimard (S. 5, S. 7, S. 23, S. 24, S. 25): Marco Borggreve Daniel Hope (S. 6): Margaret Malandruccolo / DG Kinderkonzerte (S. 30): art.i.schock GmbH Art on Ice (S. 32): Art on Ice Production AG Beatrice Rana in Köln (S. 33): Andrzej Jankowski Amateursolisten-Orchester (S. 35): Beat Steffen ILLUSTRATION «The Tempest, Act I, Scene 1» (S. 5, S. 29): Benjamin Smith, George Romney «Der Puppenspieler Titiritero» (S. 6, S. 15): art.i.schock GmbH «Die riesengrosse Rübe» (S. 6, S. 30): Niamh Sharkey, Barefoot Books «Weiss der Kuckuck!?» (S. 18): art.i.schock GmbH GESTALTUNG UND LAYOUT Tschirren und Grimm PRODUKTION Somedia Production AUFLAGE UND ERSCHEINUNGSWEISE 15 000 Exemplare, viermal jährlich ERSCHEINUNGSDATUM März 2017

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