ZKO Opus II Saison 2020/21

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OPUS. PROGRAMMMAGAZIN MAI – JULI 21


Klänge, die bewegen Ob das sanfte Summen eines Elektromotors, der tiefe Ton eines Achtzylinders oder das Crescendo im Konzertsaal – Klänge sind Schlüssel zu unseren Emotionen. www.amag.ch

Mit Leidenschaft. Für Sie.


E D I TO R I A L

EDITORIAL

Liebes Publikum, liebe Freunde des Zürcher Kammerorchesters

Von links: Lena-Catharina Schneider, Kathrin Martelli und Helene Eller

Der Frühling steht für Aufbruch, Hoffnung und Neubeginn. Dank Ihrer grosszügigen Unterstützung haben wir allen Grund, optimistisch in die zweite Saisonhälfte zu blicken. Ihre vielen aufmunternden Zuschriften in den letzten Monaten motivieren und erfreuen uns sehr. Viele von Ihnen verzichteten auf eine Ticketrückerstattung und liessen uns eine Spende zukommen. Wir danken Ihnen allen von Herzen für diese treue Unterstützung!

Es sind diese kleinen Glanzlichter, an denen wir uns mit Ihnen zusammen in diesen angespannten Zeiten erfreuen. Deshalb blicken wir frohen Mutes auf die Frühlings- und Sommermonate unserer Saison und hoffen, dass die in dieser OPUS-Ausgabe präsentierten Projekte allesamt stattfinden können.

Dennoch blicken wir auch ein wenig wehmütig auf unsere aktuelle Jubiläumssaison. Bisher waren wir leider gezwungen einen Grossteil unserer Projekte aufgrund der allgemeinen Veranstaltungsbeschränkungen abzusagen. Trotzdem sind wir dankbar, dass unser Jubiläumskonzert am 11. Dezember 2020 in modifizierter Form stattfinden konnte. Mittels Live-Stream hatten Sie alle zu Hause die Möglichkeit, mit uns das 75-Jahr-Jubiläum des Zürcher Kammerorchesters zu feiern. Solche Streams haben es bisher erlaubt, die Musik unseres Klangkörpers in Ihre Wohnzimmer zu bringen. Das neue Digitalformat ZKO CloseUp konnte im November erfolgreich gestartet werden. Weitere Videoaufnahmen sind in Planung. Schön, dass auch die Aufnahme unserer Jubiläums-CD «Serenades» möglich war. Sie ist bei der Deutschen Grammophon erschienen und bringt drei Lieblingsstücke des Orchesters zu Ihnen nach Hause.

Hauptpartner

Wir freuen uns auf Daniel Hope und Sebastian Bohren, Ton Koopman, Till Brönner und das Dieter Ilg Trio. Auch hoffen wir auf die Realisierung des Abschlusskonzertes des Jungen ZKO. Gemeinsam mit Musikvermittler Oliver Hauser entsteht gerade ein musikalisches Weltraummärchen, an dem rund 80 Schülerinnen und Schüler beteiligt sind. Ganz besonders aber freuen wir uns darauf, Ihnen allen bei unseren Konzerten wieder begegnen zu können. Denn ohne Sie ist alles nichts! Wir wünschen Ihnen und uns beste Gesundheit und einen zuversichtlichen Start in den Frühling! Herzliche Grüsse Ihre Lena-Catharina Schneider Geschäftsführung / Künstlerische Leitung Helene Eller Geschäftsführung / Kaufmännische Leitung Kathrin Martelli Präsidentin ZKO Verein

Innovationspartner

Subventionsgeber und Gönner


I N H A LT

16 DA S B E STE AUS Z WE I W ELT EN Das Junge ZKO und das Zürcher Kammerorchester präsentieren gemeinsam ein musikalisches Weltraummärchen.

18 RAVE LATIO N Jazz meets Klassik: Das ZKO in einer einzigartigen musikalischen Begegnung mit Till Brönner und dem Dieter Ilg Trio.

14 TO N KOOP M A N Ton Koopman, der sympathische Doyen der historischen Aufführungspraxis, zeigt uns mit dem ZKO, wie die Musik des 18. Jahrhunderts für ihn klingt.

10 GRANDIO S E S DO P P E L Zum ersten Mal tritt der aufstrebende Winterthurer Violinist Sebastian Bohren gemeinsam mit Daniel Hope auf.


I N H A LT

INHALT 6

Das künstlerische Betriebsbüro Hinter den Kulissen

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Inseln des Glücks Die neue CD «Serenades»

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Hope trifft Bohren Konzert für zwei Violinen

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Feder & Bogen 3 Felix Mendelssohn

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Ton Koopman Eine Zeitreise in die Welt des Barocks

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Das Beste aus zwei Welten Abschlusskonzert des Jungen ZKO

18 Ravelation Jazz meets Klassik: Konzert mit Till Brönner und dem Dieter Ilg Trio 22 Jubiläumsausstellung 75 Jahre Zürcher Kammerorchester 100 Jahre Edmond de Stoutz 24

Blick in die Vergangenheit

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Familienkonzerte Online

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ZKO Inside

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ZKO CloseUp

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Die Musiker und ihre Instrumente

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ZKO Freunde

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Tickets und Impressum

Aktuelle Informationen zu unseren Veranstaltungen finden Sie auf www.zko.ch


DA S KÜ N S T L E R I S C H E B E T R I E B S B Ü RO

DAS KÜNSTLERISCHE BETRIEBSBÜRO Konzipieren, planen, organisieren, terminieren: Lena Schneider, Silvan Hürlimann, Alexander Ponet und Valentina De Marchi halten die Fäden im Zürcher Kammerorchester fest in der Hand. Wenn es um den laufenden Spielbetrieb geht, dann kann sich das Orchester auf eine perfekte Organisation im Hintergrund verlassen. INTERVIEW PETRA MEYER

In jedem Anfang liegt ein spezieller Zauber. Der Beginn eines Konzertes ist so ein Moment. Bevor der erste Ton die gespannte Stille im Publikum durchbricht, bevor die Atmung der Zuhörer flacher und der Puls der Musiker schneller wird, bevor das Orchester gemeinsam mit dem Publikum ein hingebungsvolles Fest der Klänge feiert, davor waren viele Hände und Köpfe leidenschaftlich und ausdauernd über Monate, ja sogar Jahre, damit beschäftigt, dass dieses einmalige Zusammenspiel von Orchester, Klang, Komposition und Publikum immer wieder aufs Neue gelingt. In den letzten Monaten der Corona-Pandemie war vieles anders. Wo normalerweise alle Rädchen perfekt ineinandergreifen, waren nun vor allem Improvisationstalent und Beweglichkeit gefragt. In kürzester Zeit kamen neue gesetzliche Auflagen und Vorgaben. Vieles musste umgedacht und neugedacht werden. Das grosse Jubiläumskonzert konnte live nur noch vor 50 Besuchern gespielt werden und Mitte Dezember hiess es dann: Rien ne va plus. Nichts geht mehr. Wie das Künstlerische Betriebsbüro (kurz: KBB) die Herausforderungen der vergangenen Monate erlebt hatte und welche Lösungen gefunden wurden, das erzählen Silvan Hürlimann, Alexander Ponet und Valentina De Marchi im Interview:

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DA S KÜ N S T L E R I S C H E B E T R I E B S B Ü RO

Valentina, du bist als Projektmanagerin im KBB vor allem mit der Organisation und Durchführung der Konzerte vor Ort betraut. Was ging in dir vor, als immer klarer wurde, dass das Jubiläumskonzert, das auf den Tag genau 75 Jahre nach dem ersten Konzert des ZKO am 11. Dezember 2020 stattfinden sollte, so wie geplant nicht durchzuführen war? Gefühle der Enttäuschung sind immer dabei, wenn etwas nicht läuft, wie man es sich vorgestellt hat. Aber der Plan auf dem Papier ist im Kulturbetrieb selten das Endresultat, denn jedes Projekt (mit und ohne Corona) verändert sich im Laufe der Zeit und mit seinen unterschiedlichen Planungsphasen. Als immer klarer wurde, dass wir das Jubiläumskonzert sicher nicht vor vollem Haus spielen können, wurde im ganzen Team nach Alternativlösungen gesucht: Die Idee der Übertragung des Konzertes per Live-Stream hat alle überzeugt. Den Frust haben wir also geschickt durch Aufregung, Motivation und Euphorie in Verbindung mit der Neuplanung ersetzt. Das Jubiläumskonzert kam also per Live-Stream in die Wohnzimmer der Klassikfreunde. Hattest du bereits im Vorfeld Erfahrung mit digitalen Konzertformaten? Mit welchen speziellen Herausforderungen warst du bei der Vorbereitung konfrontiert und welche Momente haben dir besonders viel Freude bereitet? Wir sind überaus glücklich, dass der Live-Stream des Jubiläumskonzertes gut beim Publikum angekommen ist. Wir hatten viele Zuschauer aus Zürich und aus der Schweiz, konnten aber auch unsere Fans in den umliegenden europäischen Ländern und auf der ganzen Welt erreichen. All diese positiven Rückmeldungen im Live-Chat, in den Kommentaren oder via E-Mail zu lesen, erfreut einen natürlich sehr. Unsere Hauptaufgabe ist es, «Live»-Konzerte zu organisieren. Digitale Konzertformate können zwar für das Publikum im Ablauf ähnlich erscheinen, sind aber technisch und organisatorisch etwas aufwendiger. Glücklicherweise können wir uns auf die professionelle Unterstützung durch unsere eingespielten Partner bei der Umsetzung der virtuellen Formate (Live-Stream, CloseUp usw.) verlassen. Die Herausforderung liegt vor allem darin, ein deutlich grösseres Team als bei den Live-Konzerten möglichst reibungslos zu koordinieren. Dazu gehören eine detaillierte Vorbereitung und eine klare Kommunikation.

Alexander, du bist als Projektmanager im KBB vor allem für die Tourneeplanung verantwortlich. Welches war das letzte Gastspiel des ZKO, das im vergangenen Jahr noch stattfinden konnte? Und wie war die Stimmung vor Ort? Das letzte Gastspiel, das wir durchführen konnten, war am 23. Oktober 2020 in der Elbphilharmonie in Hamburg. In dieser unsicheren Pandemiezeit fühlt sich jedes Live-Konzert wie ein Triumph für den Kulturbereich an. Die Organisation im Vorfeld gestaltete sich äusserst aufwendig, da wir neben der regulären Tourneeplanung auch die sich laufend verändernden behördlichen CoronaVorgaben und Reisebeschränkungen im Auge behalten mussten. Schlussendlich verlief die Reise, auch dank der durchgehend negativen Covid-19-Testergebnis, völlig problemlos. Als die Musiker gesund und wohlbehalten wieder zurück in der Schweiz ankamen, war das, trotz des erfolgreichen Konzertes, eine grosse Erleichterung. Keine Tourneen – keine Aufgaben! Ist das so, oder mit welchen Themen bist du momentan im ZKO beschäftigt? Momentan finden tatsächlich keine Tourneen statt, aber viele Aufgaben stehen dennoch an. Auch wenn wir im KBB unsere Kernbereiche besitzen, arbeiten wir

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DA S KÜ N S T L E R I S C H E B E T R I E B S B Ü RO

bei der Umsetzung aller Projekte sehr eng zusammen. Grundsätzlich beginnen die Planungen für eine Tournee oder ein Abo-Konzert viele Monate bis Jahre im Voraus. Sprich, wir kümmern uns nicht nur um die aktuell anstehenden Projekte, sondern setzen uns auch mit der Planung der nächsten zwei bis drei Saisons auseinander. Darunter versteht sich einerseits die künstlerische Planung mit Fragen wie: Welche Gastkünstler werden eingeladen, welches Programm wird gespielt, welche Location ist geeignet. Und dazu kommt dann die Projektfeinplanung mit Reiseplan, Notenakquise, Vertragserstellung, um einige Beispiel zu nennen. Darüber hinaus bleibt das KBB hinsichtlich Innovation im Kulturbereich nicht stehen: Die Digitalisierung verändert auch unsere Arbeitsweise. Vor einigen Jahren sind wir auf die Orchester-Plattform 442hz.com umgestiegen. Und auch im Bereich Notenbibliothek wird der Abstand zwischen physischen Noten und digitalen Noten immer geringer. Kurz: Auch wenn gerade keine Live-Konzerte stattfinden, befinden sich weder das Orchester noch die Administration in den Ferien.

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Silvan, du bist als Orchestermanager für sämtliche Belange des Orchesters zuständig. Als Schnittstelle zwischen Orchester und KBB kennst du die Stimmung im Orchester sehr genau. Wie haben die Orchestermitglieder auf die Ungewissheit der vergangenen Monate reagiert? Eigentlich wie wir alle hier: sehr professionell und diszipliniert! Das ZKO hat ja schon seit jeher den Ruf, grundsätzlich in allen Belangen sehr agil und flexibel zu sein. Dieser Ruf hat sich für mich in dieser speziellen Zeit nun mehrere Male bestätigt. Das ist meines Erachtens nur möglich, wenn ganz viele Dinge im Hintergrund und im Charakter aller Beteiligten stimmen und zusammenpassen. Du begleitest das ZKO bereits seit vielen Jahren und hast mit Sicherheit schon einige Turbulenzen erlebt. Wie hat dir deine langjährige berufliche Erfahrung geholfen, mit dieser neuen Situation umzugehen? Naja, es ist halt ein bisschen wie auf einer Achterbahn. Das erste Mal ist es noch am spektakulärsten. Aber irgendwann, nach mehreren Fahrten, fängt man an es zu geniessen. Wobei einen das Kribbeln doch immer irgendwie begleitet.


SERENADES

INSELN DES GLÜCKS Das ZKO präsentiert seinem Publikum zum 75. Geburtstag eine reine Orchester-CD mit Serenaden von Edward Elgar, Wolfgang Amadeus Mozart und Pjotr Tschaikowsky. Diese ausgewählten «Inseln des Glücks» widerspiegeln das Selbstverständnis verfeinerten Zusammenspiels – welches für das Orchester seit seiner Gründung im Jahr 1945 bestimmend ist. TEXT DANIEL HOPE

Seit ich meinen Posten als Music Director im Jahr 2016 übernahm, entstanden gemeinsam mit dem Zürcher Kammerorchester drei CDs bei der Deutschen Grammophon, auf denen ich als Solist zu hören bin. Dennoch war es immer ein grosser Wunsch von mir, eine CD aufzunehmen, in der ich als Orchestermitglied eingebunden bin. Es ist etwas völlig anderes, wenn man als Kollektiv in den Aufnahmeprozess hineingeht. Wir atmen und formen den musikalischen Gedanken als Familie, als Einheit. Die Werke, die auf «Serenades» zu hören sind, begleiten das Orchester seit seiner Gründung im Jahr 1945. Die aktuelle Einspielung eröffnet deshalb auch einen spannenden Einblick in die Veränderungen der Klangkultur unseres Ensembles. Seit meiner Kindheit kannte ich den warmen, noblen De-Stoutz-Klang. Er war immer wie eine Art Umarmung. Über Griffiths, Tang und schliesslich Norrington haben sich die Klangfarben des ZKOs durch jeden seiner Chefdirigenten geändert und verfeinert. Entscheidend ist, finde ich, dass unser Orchester heute in der fast einzigartigen Lage ist, jeden Musikstil mit seinem eigenen Klang wiederzugeben. Diese Aufnahme ist nicht nur eine Hommage an all meine Vorgänger, die das ZKO so einzigartig auf ihre Art geprägt haben, sondern auch ein grosser Dank an unser Publikum, das uns seit 75 Jahren auf Händen trägt. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Zuhören!

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HOPE TRIFFT BOHREN

GRANDIOSES DOPPEL Zum ersten Mal tritt der aufstrebende Winterthurer Violinist Sebastian Bohren gemeinsam mit Daniel Hope und dem ZKO auf. Im Interview verraten die beiden, wieso dieses Konzert, in dessen Zentrum das Concerto grosso des deutschsowjetischen Komponisten Alfred Schnittke steht, für sie etwas ganz Spezielles ist. INTERVIEW LION GALLUSSER

Daniel Hope, wie Sie etwa in «Hope@Home» beweisen, ist es Ihnen ein besonderes Anliegen, die Talente der jungen Generationen zu fördern. Was bedeutet es Ihnen, mit jungen und aufstrebenden Musikern wie Sebastian Bohren zu musizieren? Junge Musiker*innen zu unterstützen, macht nicht nur Freude, es ist unsere Pflicht. Gerade jetzt in Zeiten der Pandemie. Sebastian Bohren schätze ich ganz besonders, er ist ein wunderbarer Geiger, der «out of the box» denkt – wir brauchen mehr solcher Talente.

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Sebastian Bohren, Sie haben das gemeinsame Konzertprojekt lanciert. Wie sehen Sie dem Konzert mit Daniel Hope und dem ZKO entgegen? Mit diesem Konzert wird für mich ein Traum wahr. Dass Daniel Hope spontan so begeistert auf meine Idee für ein gemeinsames Konzert reagiert hat, freute mich enorm. Und dass wir in dieser Kombination auch in meiner Konzertreihe «Stretta Concerts» in Brugg auftreten, ist einmalig: Die Begeisterungsfähigkeit und die Vielseitigkeit des ZKO machen dieses Ensemble ganz aussergewöhnlich.


HOPE TRIFFT BOHREN

Ich habe zudem eine weitere sehr schöne Erinnerung, die mich mit dem Orchester verbindet: Bei meinem ersten klassischen Live-Konzert hörte ich 2001 das ZKO unter der Leitung von Howard Griffiths in der Tonhalle Zürich! Für das Konzert mit Daniel Hope und dem ZKO haben Sie, Sebastian Bohren, das Concerto grosso Nr. 1 von Schnittke gewählt. Darin verarbeitete der Komponist Einflüsse verschiedenster Epochen und Stile und schuf damit ein zentrales Werk der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wie kam es dazu? Ich habe diese Komposition 2007 in der Zürcher Tonhalle mit dem ZKO, Daniel Hope und Mayuko Kamio unter Leitung von Ralf Weikert im Konzert gehört und war sehr beeindruckt. Es ist ein im gesamten Repertoire der Violine singuläres Werk; neben dem Doppelkonzert BWV 1043 von Johann Sebastian Bach und «Tabula Rasa» von Arvo Pärt gibt es nichts vergleichbar Attraktives für zwei Geigen und Ensemble. Ich erinnere mich sehr genau an diesen Konzertabend, weil damals der 60. Geburtstag des legendären Violinpädagogen Zakhar Bron gefeiert wurde – mit einem wahren Feuerwerk an Geigenmusik!

Sebastian Bohren, spielte es bei der Konzeption des Konzertprojekts eine Rolle, dass Daniel Hope eine besondere Vorliebe für Schnittke hat? Ja, in meinen Studientagen in Zürich bei Zakhar Bron war Daniel Hope unter meinen grossen Vorbildern, und so habe ich alles gelesen und gehört, was ich finden konnte. In einem Radioporträt erfuhr ich, dass Daniel Hope Alfred Schnittke gut gekannt und oft besucht hat. So war für mich klar, dass Hope und Schnittke eine Traumzusammenstellung wären, bei der ich viel lernen kann! Zudem fühle auch ich mich der Musiksprache Schnittkes sehr nahe und möchte seine Violinkonzerte ebenfalls bald in mein Repertoire aufnehmen. War Schnittke Ende der 1990er-Jahre im Musikleben noch sehr präsent, ist er in den letzten Jahren etwas in den Hintergrund geraten. Ich bin überzeugt, dass wir bald eine Art Renaissance dieses Komponisten erleben werden – die Interpreten müssen vorangehen und die Veranstalter überzeugen!

Erst kürzlich haben Sie, Daniel Hope, eine CD mit Werken für Violine und Klavier von Schnittke veröffentlicht. Worin liegt für Sie der besondere Reiz von Schnittkes Musik begründet, dessen Concerto grosso Nr. 1 Sie nun gemeinsam mit Sebastian Bohren aufführen? Grundsätzlich birgt die Musik Schnittkes eine Schonungslosigkeit, die den Ton unserer Welt im Moment ziemlich genau trifft. Schnittke besitzt die Fähigkeit, innerhalb von Sekunden zwischen Stilen zu springen: Er hat diese Polystilistik wie kaum ein anderer auf virtuoseste Art bedient. Das macht ihn so einmalig. Für Schnittke bedeutete die Musikgeschichte nicht etwas Ödes aus der Vergangenheit, sondern etwas Lebendiges.

HOPE TRIFFT BOHREN DI, 8. JUNI 2021, 19.30 UHR TONHALLE MAAG Daniel Hope Music Director Sebastian Bohren Violine Zürcher Kammerorchester Willi Zimmermann Violine und Leitung

Valentyn Sylvestrov Silent Music for string orchestra, Schweizer Erstaufführung Alfred Schnittke Concerto grosso Nr. 1 für zwei Violinen, Cembalo, präpariertes Klavier und Kammerorchester Edvard Grieg Streichquartett g-Moll op. 27, Bearbeitung für Streichorchester

Grosses Abo CHF 110 / 100 / 85 / 60

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FEDER UND BOGEN 3

LIEBE IN D-MOLL: FANNY UND FELIX MENDELSSOHN Sie ist sein Fenchel, er ihr Augapfel, Tantalus und Hamletchen. Fanny und Felix Mendelssohn sind das berühmteste Geschwisterpaar der Musikgeschichte, ihr Briefwechsel aus 25 Jahren lässt auf eine innige Geschwisterliebe schliessen. TEXT CORINNE HOLTZ

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FEDER UND BOGEN 3

«Fenchel! Geburtstagsfenchel, Cantorgesicht, Drude, Catomutter, lebe wohl. Bleibe mir gut, denk unser am frohen Tag und habe Dank, dass Du so bist, wie Du bist», sprudelt Felix am 39. Geburtstag seiner Schwester. Fanny pariert die Emphase, auch dann, wenn es ernst wird. «Vergiss nicht, dass Du meine rechte Hand und mein Augapfel dazu bist, dass es also ohne Dich auf keine Art mit der Musik rutschen will.»

Korrekturen einer Reinschrift. Fanny mahnt, keine Note von seinem neuen Oratorium «Elias» zu kennen und schweigt ihrerseits über das «Klaviertrio in d-Moll», das sie angefangen hat. Das Echo auf Felix’ Klaviertrio, ebenfalls in d-Moll, bleibt vorerst ein Geheimnis, dafür schockiert sie ihren Bruder im August 1846 mit der Nachricht «herauszugeben»: ihre «Gartenlieder op. 3».

Selten nah sind sie sich – auch in ihrer Begabung. Fanny, vier Jahre älter als Felix, spielt mit 13 Jahren alle Präludien aus dem ersten Band von Bachs Wohltemperiertem Klavier auswendig. Ihr «Fugenfinger» nützt ihr auch beim Komponieren: Sie lernt schnell. Carl Friedrich Zelter, Kompositionslehrer und Direktor der Singakademie Berlin, unterweist die beiden Wunderkinder im strengen Satz. Zelters Massstab sind Bach und Händel.

Die Bindung zwischen Fanny und Felix bleibt eng, der Austausch über die eigene Musik setzt sich fort. Fanny wird zur Ratgeberin, Felix zum jovialen Bruder.

Fanny und Felix sind unzertrennlich, bis die ihnen zugeschriebenen Geschlechterrollen sich auswirken. Felix darf reisen, sie bleibt zu Hause. Felix darf Kompositionen veröffentlichen, sie schreibt für die Schublade. Felix tritt im Konzertsaal auf, sie musiziert im elterlichen Gartensaal und kuratiert die «Sonntagsmusiken», eine lange zurückreichende Tradition im Hause Mendelssohn. Der Vater fürchtet um Fannys Zukunft «Du musst dich ernster und emsiger zu Deinem eigentlichen Beruf, zum einzigen Beruf eines Mädchens, zur Hausfrau, bilden.» Fanny fügt sich, setzt jedoch die Heirat mit einem mittellosen Maler durch und ehelicht 1829 Wilhelm Hensel.

Fanny bricht den Bann, wissend, dass es Felix «nicht recht ist». Schande hoffe sie damit nicht zu machen, da sie keine «femme libre» sei, keine Hure. Der «Rabenbruder» lenkt ein und erteilt ihr seinen «Handwerkssegen». Mit dieser Geste der Versöhnung beginnt sich der Lebenskreis zu schliessen. Im Mai 1847 stirbt Fanny an den Folgen eines Gehirnschlags, im November folgt ihr Felix auf gleiche Weise. In der Todesart vereint, enden zwei fiebrige Leben.

Die Bindung zwischen Fanny und Felix bleibt eng, der Austausch über die eigene Musik setzt sich fort. Fanny wird zur Ratgeberin, Felix zum jovialen Bruder. «Der Frauenzimmerpferdefuss guckt nirgends hervor», urteilt Felix über Fannys Kantaten und bittet sie im Gegenzug um die

FEDER UND BOGEN 3: FELIX MENDELSSOHN DO, 17. JUNI 2021, 19.00 UHR ZKO-HAUS Thomas Douglas Konzept und Erzählung Anna Tchinaeva Violine Anna Tyka Nyffenegger Violoncello Suguru Ito Klavier

Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy und Fanny Mendelssohn Hensel

CHF 40

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TO N KO O P M A N N

«WER HÄTTE JE GEDACHT, DASS MUSIK SO MODERN KLINGEN WÜRDE» Ton Koopman, der sympathische Doyen der historischen Aufführungspraxis, zeigt uns mit dem ZKO, wie die Musik des 18. Jahrhunderts für ihn klingt. Mit im Gepäck: zwei Komponisten aus seiner holländischen Heimat, die es hierzulande unbedingt zu entdecken gilt! TEXT LION GALLUSSER

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TO N KO O P M A N N

Ehrendoktor der Royal Academy of Music in London, Präsident des Bach-Archivs in Leipzig, international gefragter Dirigent und angesehener Musikwissenschaftler: Der Niederländer Ton Koopman gehört seit Jahrzehnten zu den Koryphäen der Alten Musik. Als Schüler von Gustav Leonhardt, einem der Begründer der historischen Aufführungspraxis, machte sich auch Koopman schon früh auf die Suche nach einem möglichst authentischen Klang, vorwiegend für die Musik des Barocks und der frühen Klassik. Ein wichtiger Punkt dabei ist für Koopman die Vielfalt des Repertoires. Auch bei seiner Zusammenstellung des Konzertprogramms vom Juni mit dem ZKO legte er grossen Wert auf die Erweiterung des musikalischen Horizonts, indem er Bach, Händel und Mozart Concerti grossi von Willem de Fesch und Pieter Hellendaal entgegensetzte. «Jedes Land hat seine guten Komponisten, auch Holland, wo de Fesch und Hellendaal übrigens sehr bekannt sind. Es reizt mich sehr, auch das Publikum in Zürich vertrauter mit den beiden Komponisten zu machen.» Das Charakteristische von de Fesch und Hellendaal, die beide ihre Heimat verliessen und in England Karriere machten, bringt Koopman wie folgt auf den Punkt: «Die Musik von de Fesch kommt jener von Händel, in dessen Orchester er auch gespielt hat, sehr nah. Die Concerti grossi sind, wie jene von Händel, konzipiert als prägnant angelegte Musik zum Geniessen. Bei Landsmann Hellendaal, der rund 40 Jahre später geboren wurde, ist man bereits in einer anderen Welt angelangt, in der des Rokokos.»

«Als Dirigent begebe ich mich in eine Zeitmaschine, die uns in den Barock mitnimmt.» Im Gespräch mit dem charismatischen Koopman sprudelt unablässig seine Faszination für die «alte» Musik hervor. «Als Dirigent begebe ich mich in eine Zeitmaschine, die uns in den Barock mitnimmt. Dem Klang jener Zeit können wir nachspüren, indem wir eine schöne Resonanz der Streicher und eine schöne Mischung mit den Bläsern anpeilen.» Diese Arbeit, dieses gemeinsame Eintauchen in die so lebendige Musik von vor rund 300 Jahren unternimmt Koopman ganz besonders gerne mit dem ZKO, dem er schon seit Langem verbunden ist. «Ich kenne die Musiker*innen des ZKO sehr gut. Dies ist die ideale Voraussetzung für den gemeinsamen Klang. Für mich zählt jede*r Musiker*in: Wenn alle beim Spielen nach Farbe und Musikalität und nicht – wie häufig beim späteren Repertoire – nach Vibration streben, dann erreichen wir den transparenten Klang des Barocks.» Dieser erlaube es schliesslich auch, die Neuartigkeit von Mozart, dessen «Serenata notturna» den Schluss des Programms bildet, mit den Ohren des Barocks bzw. des Rokokos zu hören: «Wenn wir klanglich aus der Zeit vor Mozart kommen, dann fragen wir uns vielleicht auch: Wer hätte je gedacht, dass die Musik so modern klingen würde!»

TON KOOPMANN DI, 22. JUNI 2021, 19.30 UHR TONHALLE MAAG Ton Koopmann Leitung und Cembalo Zürcher Kammerorchester Grosses Abo, Kleines Abo CHF 110 / 100 / 85 / 60

Johann Sebastian Bach Brandenburgisches Konzert Nr. 1 F-Dur BWV 1046 Pieter Hellendaal Concerto grosso g-Moll op. 3 Nr. 1 Georg Friedrich Händel Concerto grosso G-Dur op. 6 Nr. 1 HWV 319 Johann Sebastian Bach Brandenburgisches Konzert Nr. 3 G-Dur BWV 1048 Willem de Fesch Concerto grosso G-Dur op. 10 Nr. 8 Wolfgang Amadeus Mozart Serenade Nr. 6 D-Dur KV 239 «Serenata notturna»

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A B S C H L U S S KO N Z E RT E J U N G E S Z KO

DAS BESTE AUS ZWEI WELTEN Für das diesjährige Abschlusskonzert des Jungen ZKO haben sich die Kinder der 6. Klasse des Schulhauses Zurlinden in Begleitung von Musikvermittler Oliver Hauser etwas ganz Besonderes ausgedacht: In einem musikalischen Weltraummärchen stehen insgesamt vier verschiedene Schulklassen gemeinsam mit den Musikern und Musikerinnen des Zürcher Kammerorchesters auf der Bühne. TEXT PETRA MEYER

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A B S C H L U S S KO N Z E RT E J U N G E S Z KO

Erstmals in der Saison 2013/14 startete das Zürcher Kammerorchester das Projekt «Junges ZKO» mit dem Ziel, jungen Menschen einen spannenden Einblick in die Welt eines professionellen Orchesters zu ermöglichen und eine Tür in die Welt der Klassik zu öffnen. Um dies zu erreichen, ist Musikvermittler Oliver Hauser im Einsatz, der mit viel Erfahrung und Einfühlungsvermögen an die Lebenswelt der Kinder anzuknüpfen weiss. Neben der Begegnung mit der Musik eines Kammerorchesters kommt dem Projekt auch eine wichtige Rolle im Bereich der Persönlichkeitsbildung, z.B. beim Erlernen von Auftrittskompetenzen zu. Bis zur Saison 2019/20 hatte nur eine Zürcher Primarschulklasse die Möglichkeit, das ZKO während eines Schuljahres eng zu begleiten. In der Zwischenzeit wurde das erfolgreiche Projekt auf zwei Jahre verlängert. Dadurch haben nun mehrere Schulklassen die Möglichkeit, spielerisch in Berührung mit den inhaltlichen Themen der Musik und den Lebenswelten der Komponisten zu kommen. Trotz der Corona-Auflagen war es Oliver Hauser im vergangenen Jahr durchgehend möglich, mit den Kindern zu arbeiten. Und davon handelt das Weltraummärchen Vor langer, langer Zeit, da war das Leben auf der Erde bunt, vielfältig und fröhlich. Die Erdlinge liebten es, miteinander zu lachen, zu tanzen und zu musizieren. Aber eines Tages überfiel eine fremde Macht den blauen Planeten. Sie löschte das kulturelle Gedächtnis der Bewohner und nahm ihnen alle Errungenschaften, die sie besassen. Um die letzten Gegenstände, vor allem aber um die letzten Erinnerungen zu retten, wurde eine kleine Gruppe von Erdlingen in den Weltraum entsandt. Dort sollte sie eine neue Heimat finden.

Auf einem möglicherweise bewohnbaren Planeten angekommen, stiessen die Erdlinge auf fremde Wesen. Diese bewegten sich seltsam, erzeugten merkwürdige Töne auf unbekannten Instrumenten und waren überaus neugierig. Aber nicht nur die Erdlinge wunderten sich. Gewöhnungsbedürftig waren auch deren seltsamen Klänge, die sie von ihrem Planeten mitgebracht hatten. Aber da gab es auch etwas Verbindendes ... Ob und wie die Erdlinge und die Ausserirdischen am Ende einen Weg finden, miteinander zu leben, das erfahren die Besucher beim Abschlusskonzert des Jungen ZKO am 25. und 26. Juni im ZKO-Haus.

ABSCHLUSSKONZERTE JUNGES ZKO FR, 25. JUNI 2021, 19.30 UHR, ZKO-HAUS SA , 26. JUNI 2021, 19.30 UHR, ZKO-HAUS Junges ZKO Zürcher Kammerorchester Willi Zimmermann Violine und Leitung Erwachsene CHF 20 / Kinder und Jugendliche bis 12 Jahre CHF 10 Mit freundlicher Unterstützung:

«Musikvermittlung steht für den Gedanken, dass Musik für das gesellschaftliche Zusammenleben von elementarer Bedeutung ist. Übertragen in die Praxis führt dies zu einer Bewegung der Erneuerung: innovative Hörangebote sollen neue Zielgruppen in den Konzertsaal holen, Kinder und Jugendliche frühzeitig für die klassische Musik begeistert werden.» INGRID ALLWARDT

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R AV E L AT I O N

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R AV E L AT I O N

RAVELATION Manchmal ist es eine komplizierte Beziehung: Jazz und Klassik. Aber dann gibt es die glücklichen Momente, wo einfach alles passt. Dazu braucht es Offenheit, Neugier und aussergewöhnliche Fähigkeiten – wie bei den Beteiligten dieses besonderen Projekts. TEXT FELIX MICHEL

So unterschiedlich Jazz- und Klassikmenschen oft sind, so innig ist doch die klassische Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts mit derjenigen des Jazz verflochten. Auch der Komponist Maurice Ravel liess sich (etwa in den Klavierkonzerten) vom Jazz inspirieren und beeinflusste seinerseits den Jazz mit seiner schwebenden, sinnlichen Musik. An seiner Klangsprache ist bereits zu erleben, wie beide Welten sich fügen. Solche Momente der Offenbarung oder eben – angelehnt ans englische Pendant «revelation» – der «Ravel-ation» verspricht das ZKO am 8. Juli. Dazu interpretiert das Orchester einerseits die Streichquartette von Debussy und Ravel und spannt andererseits mit Kräften aus dem Jazz zusammen, die Grenzgänge gewohnt sind. Der Jazztrompeter Till Brönner ist nicht nur auf beiden Seiten des Atlantiks zu Hause, sondern auch in Klassik und Mainstream trittsicher unterwegs. So anpassungsfähig ihn seine feine Spielkultur macht, so unverkennbar bleibt er dabei dank seines charakteristischen Tones. Zu seinen neueren Projekten zählt eine Duo-Aufnahme mit dem Bassisten Dieter Ilg. Dieser wiederum hat sich mit seinem Trio in den letzten Jahren u.a. Richard Wagner und Johann Sebastian Bach (auch dies JazzUrwurzeln!) vorgenommen – nicht in oberflächlichen Bearbeitungen, sondern in stimmigen Anverwandlungen. Das Dieter Ilg Trio und Till Brönner bilden sozusagen das «Concertino», das ZKO das «Ripieno» in dieser jazzigen

Neuinterpretation des «Concerto grosso»-Prinzips, das bereits die ganze Saison durchzieht. Gleich drei Werkaufträge hat das ZKO für diese Konstellation ausgegeben. An Daniel Schnyder, der als Jazzsaxophonist und klassisch ausgebildeter Flötist beide Welten kennt und als Komponist längst internationale Ausstrahlung besitzt. An Christoph Baumann, der seit Jahrzehnten das Freiheitsversprechen des Jazz auf alle möglichen Bereiche ausdehnt. Und an die junge Pianistin und Komponistin Luzia von Wyl, deren eigenes Ensemble seit zehn Jahren aufhorchen lässt: mit ungewohnten Farben von Geige bis Fagott, kniffligen (aber dennoch mühelos groovenden) Rhythmen und formaler Experimentierlust.

Das Dieter Ilg Trio und Till Brönner bilden sozusagen das «Concertino», das ZKO das «Ripieno» in dieser jazzigen Neuinterpretation des «Concerto grosso»-Prinzips, das bereits die ganze Saison durchzieht. 19


R AV E L AT I O N

Luzia von Wyls ganz eigenständige Handschrift vereint Einflüsse aus dem Jazz (sie nennt Gil Evans und Maria Schneider) und Reise-Erlebnisse aus aller Welt ebenso wie klassische Komponisten. An Strawinsky und Prokofjew bewundere sie die fast körperliche Rhythmik, an der Musik von Debussy und Ravel «deren Filigranität und Farbenreichtum, natürlich auch die wunderbare Harmonik». Das liegt auch an ihrem zweigleisigen Werdegang: «Als klassisch ausgebildete Pianistin habe ich damals in meinem Studium beide Komponisten immer wieder gespielt.»

Diese stilistische Offenheit, die in der Generation von Daniel Schnyder noch eher die Ausnahme war, prägt heute viele Kollegen von Luzia von Wyl. Aber indem ihr zehnköpfiges Ensemble auch Mitglieder ganz ohne JazzHintergrund umfasst, geht sie einen Schritt weiter. «Die Kunst ist also, Musik zu schreiben, die beide Arten des Musikmachens nicht nur zulässt, sondern sie so vereint, dass sie unabdingbar für das Stück werden», so von Wyl. Diese Kunst beherrscht sie offensichtlich besonders gut. Kein Wunder, dass sie sich auf die Zusammenarbeit mit dem ZKO und den Jazzmusikern freut!

RAVELATION DO, 8. JULI 2021, 19.30 UHR VOLKSHAUS ZÜRICH, THEATERSAAL Till Brönner Trompete Dieter Ilg Trio – Dieter Ilg Bass – Rainer Böhm Klavier – Patrice Héral Schlagzeug Zürcher Kammerorchester Willi Zimmermann Violine und Leitung Werke von Claude Debussy und Maurice Ravel Uraufführungen von Luzia von Wyl, Daniel Schnyder und Christophe Baumann CHF 110 / 100 / 85 / 60 / 35

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R AV E L AT I O N

Wir wünschen den Stars eine tolle Stimme. Alles Gute.

ricola.com

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7 5 J A H R E Z Ü RC H E R K A M M E RO RC H E S T E R , 1 0 0 J A H R E E D M O N D D E S TO U T Z

75 JAHRE

ZÜRCHER KAMMERORCHESTER 100 JAHRE

EDMOND DE STOUTZ

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7 5 J A H R E Z Ü RC H E R K A M M E RO RC H E S T E R , 1 0 0 J A H R E E D M O N D D E S TO U T Z

Anlässlich seines 75-jährigen Bestehens, verbunden mit dem 100. Geburtstags seines Gründers Edmond de Stoutz, hat das Zürcher Kammerorchester eine Jubiläums-Ausstellung im ZKO-Haus konzipiert. Auf einer Fläche von rund 170 Quadratmetern erwartet die Besucher eine Vielzahl historischer Dokumente aus den letzten 100 Jahren, welche im Hause de Stoutz sorgfältig aufbewahrt wurden und nun erstmals seit Jahrzehnten wieder das Tageslicht erblicken. Es sind vor allem familiäre Schätze, welche die Anfangsjahre des Klangkörpers, das einst als «HausorchesterVereinigung Zürich» seinen Anfang nahm, lebendig beleuchten. Historische Fotografien, Videos und Interviews entführen die Besucher in vergangene Zeiten. Dazu kommen Raritäten wie Auszeichnungen, Schallplatten, Reiseutensilien, Obskures und Bewegendes: In dieser Ausstellung wird die Geschichte des Zürcher Kammerorchesters und seines Gründers lebendig. Die Stationen auf dem Weg zum international gefeierten Orchester werden ebenso anschaulich vorgestellt wie die Menschen, die sich während der letzten 75 Jahre für den Erfolg dieses Klangkörpers stark gemacht haben. Die ursprünglich bis März 2021 geplante Ausstellung wird bis Juli 2021 verlängert. Ein Besuch ist momentan nur per Anmeldung möglich. Der Eintritt ist frei. Das Anmeldeformular befindet sich auf der Website www.zko.ch/ ausstellung.

360 GRAD JUBILÄUMSAUSSTELLUNG Ab sofort ist ein Besuch der Jubiläumsausstellung auch virtuell möglich. Ein 360-Grad-Rundgang führt rund um die Uhr durch die Ausstellung, charmant und kenntnisreich moderiert von Louis de Stoutz, Sohn von Edmond de Stoutz. Den 360-Grad-Rundgang zur Jubiläumsausstellung finden Sie ebenfalls auf der Website.

www.zko.ch/ausstellung

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B L I C K I N D I E V E RG A N G E N H E I T

GENERATIONEN IM ORCHESTER Als Silvia Rohner Geiser das Probespiel fürs ZKO bestanden hatte, war Simon Wiener noch nicht einmal auf der Welt. Die Cellistin hat denn auch einiges von früher zu erzählen – und der junge Geiger schildert uns seinen Blick auf das heutige Musikerleben. Ein Gespräch zwischen den Generationen. INTERVIEW SIMONE PFLÜGER

Ich habe mal nachgeschaut: Silvia, du bist 1987 ins ZKO eingetreten. 7 Jahre später kamst du, Simon, zur Welt. Silvia (lacht): Nein! Oh, Hilfe … Simon, ich könnte fast deine Grossmutter sein! Kannst du dich noch erinnern, wie du damals angefangen hast? Silvia: Es war meine erste Bewerbung und ich dachte, das schaffst du nie, das Zürcher Kammerorchester, ich versteige mich da. Und doch war es mein Wunsch. Dann war ich lange die Jüngste in der Bassgruppe – und plötzlich hat es sich geändert, ich kam mir vor wie im Schleudersitz. Du, Simon, bist erst seit diesem Jahr ein fester Teil des Orchesters. Hast du das Gefühl, schon richtig angekommen zu sein? Simon: Ich hoffe es! Weil es nur 20 Leute sind, kann man sich schnell integrieren. Auch die gute Atmosphäre macht es einem einfach. Der Orchesteralltag ist glücklicherweise nicht mit dem Stress verbunden, den ich aus einigen anderen Orchestern kenne. Wolltest du deshalb beim ZKO mitspielen? Simon: Ich hatte verschiedene Probespiele gemacht und es war eigentlich purer Zufall, dass ich zum ZKO kam. Aber natürlich ist es insofern glücklich, als es mir mehr Spass macht, in einem kleineren Orchester zu spielen als in

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einem grossen. Und ohne einen Dirigenten zu spielen, ist für mich auch ein grosses Plus. Inwiefern? Simon: Der Kontakt unter den Musikern wird absolut lebenswichtig. Man darf die anderen Stimmen nicht einen Moment lang vergessen – das gefällt mir. Ich staune auch, wie Willi Zimmermann als Konzertmeister mit kleinsten Gesten klarmachen kann, was er möchte. Silvia: Das funktioniert tatsächlich wahnsinnig gut. Doch auch das Spielen unter einem Dirigenten hatte seinen Reiz. Was ich bei Edmond de Stoutz sehr inspirierend fand: Egal wie krank er war, wenn er auf der Bühne stand und die Musik begann, hatte er ein Leuchten in den Augen. Er besass auch immer eine sehr genaue Vorstellung: In den Proben liess er manchmal keinen Ton durch, ohne etwas dazu zu sagen. Das klingt intensiv. Silvia: Ja, man hatte aber auch viel mehr Zeit zum Üben. Heute ist die Probezeit ein wenig gedrängter. Es muss schneller etwas zustande kommen. Simon: Ich mag es aber auch, wenn man nicht allzu lange an einem Stück arbeitet. Die gedrängte und zielorientierte Arbeitsweise ist sicher ein allgemeines Zeitmerkmal, nicht nur in der Musik …


B L I C K I N D I E V E RG A N G E N H E I T

Neben den Probezeiten hat sich auch bei den Probeorten einiges geändert, oder? Silvia: Ja, früher sind wir von einem Kirchgemeindehaus zum anderen gezogen. Jeder musste sein Pult selbst aufstellen und der Bassist transportierte das Notenmaterial. Am Schluss der Probe sagte er jeweils: «Alles zusammenschlagen.» Dann wurde alles wieder in Koffern verpackt. So lernte man ganz Zürich kennen.

Du, Simon, erlebst deine Anfangszeit mit Corona nun auch als turbulent. Simon: Die Situation ist speziell. Wir hoffen natürlich, dass wir es irgendwie überstehen.

Simon: Ich spielte vorher bei der Sinfonietta de Lausanne, wo es ähnlich war. Auch da hatten wir keine fixen Räumlichkeiten, sondern probten einmal hier und einmal da. Es ist natürlich schon angenehmer, einen fixen Ort zu haben.

Noch eine Frage: Was mögt ihr beide aneinander? Silvia: Ich habe das Gefühl, dass Simon alles, was er macht, gut macht. Ich freue mich unheimlich über die neuen Geiger, die in letzter Zeit zu uns gestossen sind. Sie haben neue Ideen und Impulse. Für mich ist das total erfrischend und bereichernd.

Silvia: Ich finde es so schade, dass wir nicht mehr spielen können. Musik hat so etwas Verbindendes und jetzt darf man nicht …

Silvia: Auf jeden Fall. Silvia, welche Erinnerungen sind dir sonst noch besonders präsent? Silvia: Es gab so viele unmögliche Situationen, die wir geschafft haben. Einmal hätten wir für ein Konzert in Osaka morgens um 4 Uhr aufstehen müssen. Die meisten haben einfach die Nacht durchgemacht. In der Hauptprobe meinte Willi dann, er wisse, wir seien alle müde. Danach spielten wir unser bestes Konzert. Wie wir manchmal an unsere Grenzen kamen und trotzdem immer wieder die Kurve kriegten, das finde ich bewundernswert.

Simon: Ich mag die Atmosphäre, die Silvia ins Orchester bringt. Sie hat eine sehr entspannte Art. Silvia, gibt es noch irgendeinen Rat, den du Simon auf seinen Berufsweg mitgeben würdest? Silvia: Nein, so etwas habe ich nicht. Aber einen Wunsch! Simon komponiert ja auch und ich wünsche mir von ihm eine Komposition fürs ZKO. Und, Simon, wirst du dies umsetzen? Simon (lacht): Vielleicht, mal sehen.

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FA M I L I E N KO N Z E RT E

FAMILIENKONZERTE ONLINE

KO S T E NLO S AU F

YO U T U B E  & FAC E B O O K

Die professionellen Geschichtenerzählerinnen Jolanda Steiner und Renata Blum kommen gemeinsam mit einigen Musikerinnen und Musikern des Zürcher Kammerorchesters am Sonntag, 23. Mai und Sonntag, 27. Juni direkt zu den Familien nach Hause.

TR E D E SCH I N «Tredeschin» ist eines der bekanntesten Engadiner Märchen. Es erzählt die Geschichte des dreizehnten Kindes einer Engadiner Familie. Dieses verlässt als junger Mann seine Heimat, um sein Glück in der Ferne zu suchen. Am Hofe des Königs von Frankreich macht er sich verdient. Er bringt dem König drei Dinge zurück, die ihm vom türkischen Herrscher gestohlen worden waren. SO, 23. MAI 2021, 11.00 UHR LIVE AUS DEM ZKO-HAUS Jolanda Steiner Konzept und Erzählung Musikerinnen und Musiker des Zürcher Kammerorchesters Ein musikalisches Märchen ab 4 Jahren

WI E PE TTE RS S ON ZU F INDUS KA M Pettersson ist ein sehr alter Mann, bis ihm seine Nachbarin einen Pappkarton bringt, auf dem steht: Findus grüne Erbsen. Drinnen sind aber keine Erbsen, sondern ein kleiner Kater … Anfänglich kann der Kater nicht sprechen und trägt auch keine Hose. Aber eines Tages schaut er Pettersson beim Zeitungslesen über die Schulter und sagt seinen ersten Satz: «So eine Hose will ich auch haben.» SO, 27. JUNI 2021, 11.00 UHR LIVE AUS DEM ZKO-HAUS Renata Blum Konzept und Erzählung Musikerinnen und Musiker des Zürcher Kammerorchesters Eine turbulentes Familienkonzert ab 4 Jahren

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Z KO I N S I D E

ZKO INSIDE JUBILÄUMSAUSSTELLUNG Seit Mitte März 2021 ist die Jubiläumsausstellung 75 Jahre Zürcher Kammerorchester, «100 Jahre Edmond de Stoutz» im ZKO-Haus wieder geöffnet. Da die Ausstellung während der Wintermonate geschlossen war, wird sie nun bis in den Sommer verlängert. Interessenten haben die Möglichkeit, sich über die ZKO-Website für einen Besuch anzumelden: www.zko.ch/ausstellung.

KONZERT I M WOHNZ I MME R

M I GRO S GRATUL IERT MIT EI N KAU FS TA S CHE Mit einer «musikalischen» Einkaufstasche gratulierte die Migros Zürich dem Zürcher Kammerorchester zum 75-Jahr-Jubiläum. Darauf abgebildet waren sowohl die Noten des bekannten Migros-Jingles, als auch eine Zeichnung der Stradivari, die von Konzertmeister Willi Zimmermann gespielt wird. Das ZKO revanchierte sich für diese schöne Aktion mit einer Orchesterversion des Migros-Jingles. Den musikalischen Genuss konnten allerdings nur die Kunden der Migros Zürich hören: Kammermusik beim Einkaufen – wer bleibt da nicht gerne etwas länger.

Seit November vergangenen Jahres haben Klassikliebhaber die Möglichkeit, einzelne Orchester-Musiker und ausgewählte Werke der Kammermusik per Streaming kennen zu lernen. Mit dem ZKO CloseUp kommt die Musik direkt ins Wohnzimmer. Das neue Digitalformat ist auf Facebook und Youtube jeweils 14 Tage nach Sendetermin abrufbar. Wann das nächste CloseUp ausgestrahlt wird, erfahren Sie auf unserer Website: www.zko.ch. Das ZKO CloseUp wird von Migros-Kulturprozent unterstützt.

MUSI K F ÜR E XOTE N Diesen Tag werden die Musikerinnen und Musiker des ZKO mit Sicherheit nie wieder vergessen. Erstmals spielten sie im Zoo Zürich vor einem sehr speziellen Publikum. Während der Rest der Schweiz auf Live-Konzerte verzichten musste, kamen Affen, Elefanten und Giraffen in den Musikgenuss. Ob den Tieren das hochkarätige Ensemble gefallen hat? Einigen schon. Zumindest die Abwechslung kam bei den meisten gut an. Einzig die Giraffen blieben unbeeindruckt: Wer lässt sich schon gerne beim Fressen stören. Wer das einmalige Konzert gerne sehen möchte, der findet es auf unseren Social-Media-Kanälen auf Facebook und Instragram.

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Z KO C LO S E U P

ZKO CLOSEUP Das Zürcher Kammerorchester live im Wohnzimmer erleben! Wie das geht? Alles was es dazu braucht, ist eine Internetverbindung und ein entsprechendes Endgerät. TEXT PETRA MEYER

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Z KO C LO S E U P

Digitale Formate haben es im vergangenen Jahr vielen Kulturschaffenden erlaubt, mit ihrem Publikum in Kontakt zu bleiben. Auch das Zürcher Kammerorchester hat deshalb ein neues Konzertformat entwickelt: das ZKO CloseUp. Es ermöglicht allen Liebhabern des Zürcher Kammerorchesters ein besonderes Konzerterlebnis: Live – aber nicht im Konzertsaal, nah – aber nicht unmittelbar. Finanziell unterstützt wird das ZKO CloseUp von Migros-Kulturprozent.

ausgewählte Raritäten beinhaltet. Bestimmt ist auch die eine oder andere musikalische Entdeckung dabei. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Musiker in unterschiedlichen kammermusikalischen Formationen zu Ihnen kommen: als Duo, Trio, Quartett oder Oktett. Das Ergebnis ist eine spannungsreiche und qualitativ hochwertige Ausstrahlung, welche den Abstand vom Konzertsaal bis ins Wohnzimmer mühelos überbrückt.

In der Vergangenheit haben rund 5000 Konzertbesucher das ZKO CloseUp Vol. 1 (16. November 2020) und Vol. 2 (22. März 2021) aufgerufen. Die Vorbereitungen zu Vol. 3 und Vol. 4 sind im vollen Gange und schon am Montag, 10. Mai, um 19.30 Uhr findet die nächste Ausstrahlung über unsere Social-Media-Kanäle auf Facebook und Youtube statt.

Jede Aufnahme wird von einem professionellen Team aus Kameraleuten, Licht- und Tontechnikern, Regie und Aufnahmeleitung begleitet. Bis zur Live-Aufnahme finden mehrere Proben statt, dabei wird entwickelt, gefeilt und optimiert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Ein digitales Konzertformat, das Klassikfreunde regelmässig begeistert. Das belegen auch die Kommentare auf unseren SocialMedia-Kanälen:

Klassikfreunde dürfen sich erneut auf ein erlesenes Programm freuen, das sowohl bekannte Leckerbissen als auch

«Ein purer Genuss. Sehr angenehm. Vielen Dank.»

«Wir, das Publikum, sind bei euch ganz Ohr!»

«Bravo für Musik, Choreografie und Ansage.»

«Ein grosser Genuss wie immer.»

«Brillante und emotional grossartige MusikerInnen und Klang.»

ZKO CLOSEUP VOL. 3 MO, 10. MAI 2021, 19.30 UHR ÜBERTRAGUNG AUS DEM ZKO-HAUS

Mit freundlicher Unterstützung:

Musikerinnen und Musiker des Zürcher Kammerorchesters Wann das nächste ZKO CloseUp ausgestrahlt wird, das erfahren Sie im Vorfeld auf unserer Webseite www.zko.ch

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DIE MUSIKER UND IHRE INSTRUMENTE

«ICH SUCHE DAS MITEINANDER» In der Interview-Serie «Die Musiker und ihre Instrumente» stellt Frauke Tometten Molino ihre geliebte Bratsche aus dem Jahr 1690 vor. INTERVIEW PETRA MEYER

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DIE MUSIKER UND IHRE INSTRUMENTE

Frauke Tometten Molino ist eine Frau von auffälliger Grösse. Mit ihren 1,83 Metern ist sie im Zürcher Kammerorchester kaum zu übersehen. Wenn sie spricht, dann erklingt eine dunkle, volle Stimme. Ist es möglich, dass zwischen Musikerin und Instrument eine gewisse Form von Seelenverwandtschaft besteht? Wer hat hier wen gefunden? Das Instrument die Musikerin oder die Musikerin ihr Instrument? Ich bin als jüngstes Kind in einer siebenköpfigen musikalischen Familie aufgewachsen. Gemeinsames Singen und Musizieren in verschiedenen Besetzungen gehörte einfach dazu. Mein Wunschinstrument war das Klavier. Nachdem ich einige Monate privaten Unterricht genossen hatte, wollte ich an meiner neuen Schule das Spiel am Klavier weiterentwickeln. Aber genau für dieses Instrument gab es eine lange Warteliste. Bratschisten hingegen fehlten, sowohl in der Schule als auch in unserem Familienorchester. Ich wusste zwar nicht viel über das Instrument, aber die tiefen Töne fand ich richtig spannend. Dass die Bratsche vor allem ein Kammermusik- und Orchesterinstrument ist, war für mich gerade richtig: Ich suche das Miteinander. Die Stradivari gilt als Rolls Royce unter den Geigen. Ihr Wert geht in die Millionen. Gibt es auch berühmte Bratschen, die sowohl klanglich als auch handwerklich als Mass der Dinge gelten? Soviel ich weiss, ist das teuerste Instrument der Welt eine Bratsche von Stradivari. Der astronomische Wert von rund 33 Millionen Euro erklärt sich u.a. dadurch, dass es nur noch zwölf Stradivari- Bratschen gibt und diese eine besonders gut erhalten ist. Während meiner musikalischen Laufbahn hatte ich das Glück, zwei dieser äusserst seltenen Stradivari-Bratschen spielen zu dürfen. Wie lässt sich das Instrument einordnen, auf welchem du heute spielst? Meine Bratsche ist ebenfalls ein Sammlerstück, vermutlich aus dem Jahr 1690. Ihr Erbauer ist allerdings nicht bekannt, deshalb war sie noch erschwinglich. Sie hat einen ganz speziellen Charme. Als ich sie entdeckt hatte, war mir sofort klar: Mit diesem Instrument werde ich alt. Und wie kommt man zu so einem besonderen Instrument? Obwohl ich bis vor 15 Jahren überzeugt auf modernen Instrumenten gespielt habe, kam im Laufe der Jahre das Bedürfnis nach etwas Älterem auf. In Paris bin ich bei einer Orchesterreise auf ein flämisches Modell aus dem 17. Jahrhundert gestossen.

Ich war sehr sicher, dass es dieses Instrument werden sollte, gab mir aber noch etwas Bedenkzeit. Einen Tag, bevor ich die flämische Bratsche definitiv erwerben wollte, bekam ich einen Anruf von einem Geigenbauer aus der Schweiz. Ich hatte ihn vor einiger Zeit gebeten, für mich die Augen offenzuhalten, und auch von meiner Pariser Entdeckung erzählt: «Haben Sie sich schon für das flämische Modell entschieden? Darf ich Ihnen am Tag vor der Hochzeit, noch jemand anderes vorstellen?» Ich war wie elektrisiert, bin sofort hin und da lag sie: Meine Bratsche! Noch am selben Abend habe ich sie mit Kollegen im Tonhallesaal ausprobiert und mich danach sofort für sie entschieden. Bach, Haydn, Mozart, Beethoven: Viele grosse Komponisten beherrschten das Spiel auf der Viola. Und dennoch gilt das Instrument weitläufig als unterschätzt. In Musikerkreisen werden besonders gerne Witze über Bratschisten erzählt. Woher kommt das? Die meisten Bratschisten finden erst über Umwege zu ihrem Instrument. Sie lernen zunächst das Spiel auf der Geige und steigen dann später aus verschiedenen Gründen um. Ich wollte von Anfang Bratsche spielen und bezeichne mich deshalb als «Edelbratscherin». Über Bratschisten wird gelacht, weil es eben zu viele Geiger gibt. Einige von ihnen mussten irgendwann zur Bratsche ausweichen. Dadurch landeten vielleicht nicht immer die besten Musiker in der Bratschengruppe. Würdest du unseren Lesern abschliessend deinen Lieblings-Bratschenwitz verraten? Das würde den Rahmen sprengen, aber einen kurzen Witz habe ich: Ein Bratscher spielt den ganzen Tag nur einen Ton. Seine Frau beschwert sich: «Es gibt Leute, die können auch andere Töne spielen.» Der Bratscher: «Die anderen sind auf der Suche nach dem richtigen Ton. Ich habe ihn gefunden.»

«Von allen Instrumenten im Orchester ist die Viola dasjenige, dessen ausgezeichnete Eigenschaften man am längsten verkannt hat.» HECTOR BERLIOZ

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MUSIKFREUNDE . Als Willi Zimmermann zur Jahrtausendwende begann, mit dem ZKO zu musizieren, war das Orchester in einer Umbruchsituation. Die verblassende Identifikation mit seinem Gründer Edmond de Stoutz führte zum steigenden Zuschauerschwund mit den entsprechenden finanziellen Folgen. Die GFZKO lobbyierte beim Zürcher Gemeinderat für die Sanierung und leistete selbst massgebliche finanzielle Hilfe. Der Generationenwechsel zu Beginn der Ära Howard Griffith brachte nicht nur Begeisterung, sondern auch Friktionen. Die GFZKO war erneut gefordert, und das Projekt «ZKO Haus» sorgte nicht nur für das lang ersehnte Zuhause, sondern auch für neue Impulse. Dennoch mussten 2007 die Freunde des ZKO die Stradivari vor einem Notverkauf retten. So konnte die GFZKO Willi Zimmermann, der seit 2008 Erster Konzertmeister ist, dieses wunderbare Instrument zur Verfügung stellen.

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Obwohl unsere Gesellschaft sich wirkungsvoll für das Orchester engagierte, gab es nach Willi Zimmermanns Erinnerung, mit Ausnahme «musikalischer Umspielungen» der Generalversammlungen, wenig persönliche Anknüpfungspunkte. Allzu oft befand sich die Intension der GFZKO mit der Arbeit der Orchesteradministration im Widerspruch. Das änderte sich erst, als er 2013 selbst Mitglied wurde und sich als Vizepräsident «mit vielen Hüten» für ein organisches Zusammenwachsen der beiden Institutionen stark machte. Seitdem sind die Freunde des ZKO näher dran an ihrem Orchester. Bei keiner anderen Gelegenheit kann man dem künstlerischen Schaffen des Orchesters so nahe kommen wie bei einem Probenbesuch und bei den anschliessenden Gesprächen mit den Musikern. Für Willi Zimmermann ist das «ein Geben und Nehmen», denn einerseits ist er als Musiker ja selbst Nutzniesser, andererseits ist es ihm auch Motivation für sein musikalisches Schaffen. Es macht nicht nur für Willi Zimmermann einen Unterschied, ob er vor einem anonymen Publikum oder vor bekannten Gesichtern musiziert. Das erhält ihm das Lampenfieber sowie die naive Frische beim Musizieren und schützt ihn vor zu viel Abgeklärtheit. Die GFZKO ist für Willi Zimmermann eben nicht nur Geldgeber und Lobbyist, sondern auch ein Fanclub im besten Sinne.

Um das Verständnis und die Liebe für die klassische Musik zu fördern, lancierte er zahlreiche Initiativen, wie z.B. das legendäre Konzert, bei dem Amateurmusiker aus den Reihen der GFZKO mit Musikern des Orchesters gemeinsam musizierten. Im Vorstand unserer Gesellschaft war er der Brückenbauer zwischen den Könnern und den Gönnern. Mit grossem Bedauern, aber auch mit Verständnis haben wir Willi Zimmermann bei der letzten Generalversammlung aus dem Vorstand in Dankbarkeit verabschieden müssen. Er wird sich in Zukunft wieder stärker auf sein künstlerisches Schaffen als Konzertmeister des ZKO fokussieren. Willi Zimmermann gibt uns aber Wünsche und Empfehlungen mit auf den Weg: Ihren Statuten entsprechend sollte die personelle Verflechtung der Partnerorganisationen seiner Meinung nach wieder vertieft werden. Gleichzeitig hofft er, dass die zukünftigen Herausforderungen weniger von Ad-hoc-Notübungen und Feuerwehreinsätzen geprägt sind. Die Zusammenarbeit zwischen dem Orchester und seinen Freunden muss in das Heute transformiert werden, damit beide in Zukunft Bestand haben. Das braucht Ideen, Engagement und vor allem die gemeinsam gelebte Leidenschaft. (PAM)

GENERALPROBE Di, 4. Mai 2021, 10.00 Uhr, ZKO-Haus

ARBEITSPROBE Mo, 21. Juni 2021, 10.00 Uhr, ZKO-Haus

Zürcher Kammerorchester Willi Zimmermann Violine und Leitung Alexandre Tharaud Klavier Werke von B. Britten, W.A. Mozart, F. Schubert

Zürcher Kammerorchester Ton Koopman Leitung und Cembalo Werke von J.S. Bach, P. Hellendaal, G.F. Händel, W. de Fesch, W.A. Mozart

ARBEITSPROBE Fr, 4. Juni 2021, 14.00 Uhr, ZKO-Haus Zürcher Kammerorchester Daniel Hope Music Director Sebastian Bohren Violine Willi Zimmermann Violine und Leitung Werke von V. Sylvestrov, A. Schnittke, E. Grieg

Jetzt Mitglied werden und von exklusiven Privilegien profitieren.

Infos unter www.gfzko.ch

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TICKETS UND IMPRESSUM

TICKETS

IMPRESSUM

Z KO BERATUNG UND V E RKAUF Seefeldstrasse 305, 8008 Zürich tickets@zko.ch, Tel. 044 552 59 00 Mo–Fr, 11.00 bis 17.00 Uhr

HER AUSG E B E R Zürcher Kammerorchester Seefeldstrasse 305, 8008 Zürich

B I L L ETTKA SSE TO NH ALLE MAAG Zahnradstrasse 22, 8005 Zürich Tel. 044 206 34 34 S C H AUSP IELHAUS PFAUE N (für Konzerte im Schauspielhaus) Rämistrasse 34, 8001 Zürich Tel. 044 258 77 77 M U S IK HUG Limmatquai 28–30, 8001 Zürich Tel. 044 269 41 00

REDAKTI O N Petra Meyer (Leitung), Natasa Angov, Valentina De Marchi, Lena-Catharina Schneider AUTOR E N Dr. Lion Gallusser, Dr. Corinne Holtz, www.corinneholtz.ch, Felix Michel, Petra Meyer, Simone Pflüger, Lena-Catharina Schneider FOTOGR AF I E Cover: Cello (Antonio Mariani, ca. 1680 – gespielt von Nicola Mosca) © Felix Streuli/TBWA S. 3, 6, 7, 8, 9, 12, 25, 30: Orchesterfotos © Harald Hoffmann S. 4: Junges ZKO © Melanie Hadam/ZKO; Ton Koopmann © Hans Morren; Till Brönner © Gregor Hohenberg; Daniel Hope © Nicolas Zonvi S. 9: Daniel Hope © Tibor Bozi S. 10: Sebastian Bohren © Marco Borggreve S. 11: Daniel Hope © Harald Hoffmann S. 14: Ton Koopmann © Hans Morren S. 16: Junges ZKO © Melanie Hadam/ZKO S. 18: Till Brönner © Gregor Hohenberg S. 20: Dieter Ilg © Till Brönner S. 21: Dieter Ilg Trio © Till Brönner S. 22: Edmond de Stoutz © Thomas Cugini S. 23: ZKO Griechenland 1966 © Alexander Chasen S. 26: Jolanda Steiner © Jolanda Steiner; Barbara Flum © Barbara Flum S. 27: Jubiläumsausstellung © Michel Bumann/ZKO; Migros-Tasche © Natasa Angov/ZKO; Zürich Zoo © Natasa Angov/ZKO S. 28: ZKO CloseUp Vol. 1 © Melanie Hadam/ZKO; ZKO CloseUp Vol. 2 Valentina De Marchi/ZKO GE STALT U NG U ND LAYO U T Michel Bumann/ZKO

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